Ein Unkraut namens Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) ist das Forschungsobjekt Nummer eins der Botanik.

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Es werden schon einige Millionen Exemplare sein, schätzt Elliot Meyerowitz, die er bisher in seinem Forscherleben gezogen hat. Für hübsch hält er Arabidopsis thaliana, die Ackerschmalwand, ein unscheinbares und ungenießbares Kraut aus der Familie der Kohlgewächse dennoch nicht. "Ich glaube nicht, dass irgendein Kollege das auch im eigenen Garten anbauen würde. Ich zumindest nicht." Es wäre wohl so ähnlich wie Arbeit mit nach Hause zu nehmen.

Auch wenn diese Arbeit hoch interessant ist und manchmal sogar ihre komischen Aspekte hat. Beispielsweise in jenen Jahren, wo Meyerowitz mit seinem Team am Caltec in Pasadena an der Entschlüsselung der Gene arbeitete, die für die Herausbildung der Blüten zuständig sind. Dafür verwendete er vorwiegend Mutanten und je nachdem, welche Gene gerade ausgeschaltet wurden, hatten die Pflanzen ihre Teile an den völlig falschen Stellen, wirkten, als würde ihnen ein Fuß wie eine Antenne aus dem Kopf wachsen.

Die Idee, das Arabidopsis-Genome-Projekt zu starten und sie damit zur "Antwort der Botanik auf die Taufliege Drosophila" zu machen, entstand 1991, auf einem Kongress in Wien, erinnert sich Dieter Schweizer, der Direktor des Gregor Mendel Institutes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. "Bei meinem ersten Arabidopsis-Kongress in den Siebzigerjahren waren wir gerade mal 35 Leute. Heute sind wir eine starke internationale Community."

Spät entstanden

Blütenpflanzen entstanden in der Entwicklungsgeschichte der Erde relativ spät im Zeitalter der Dinosaurier vor etwa 150 Millionen Jahren. Im Gegensatz zu den Echsen-Monstern stellten sie jedoch einen Fortschritt der Evolution dar. Auf Grund ihres vergleichsweise jugendlichen Alters hatten die verschiedenen Blütenpflanzen keine Zeit, sich gewaltig auseinanderzuentwicklen.

Das bietet den Vorteil, dass praktisch alle Gene, die in Arabidopsis gefunden werden, auch bei den anderen Pflanzen vorkommen. Damit ist sie auch die Pionierpflanze für alle gentechnischen Ansätze in der Landwirtschaft geworden.

Wobei die Herauszüchtung von bestimmten Merkmalen eine uralte Technik ist. Die Vorfahren von Mais sahen unserem jetzigen Mais überhaupt nicht ähnlich. Erst jahrhundertelange Zuchtauswahl machte daraus jene Pflanze, die über Lateinamerika schließlich die Welt eroberte.

Die Kenntnis der genetischen Funktionen der Modellpflanze Arabidopsis lässt nun eine gezielte und wesentlich raschere Steuerung der Zuchtauswahl zu, weil nicht mehr per Zufall tausende von Genen mitgemischt werden, sondern nur noch jene, die erwünscht sind. "Wer also beispielsweise das Muster der Körner am Maiskolben verändern möchte, weiß über die Genforschung nun ziemlich gut, wo er eingreifen muss", erklärt der Britische Molekulargenetiker Enrico Coen. (ebe/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 4.10. 2006)