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Brüssel - Nach zähem Ringen hat die EU Strafzölle auf Billigschuhe aus China und Vietnam beschlossen. Ein Kompromiss, der Anti-Dumping-Strafzölle für die Dauer von zwei Jahren vorsieht, sei mit Mehrheit der Mitgliedstaaten bei einer Sitzung der EU-Botschafter in Brüssel beschlossen worden, verlautete von Seiten der finnischen EU-Ratspräsidentschaft am Mittwoch.

Die Entscheidung soll nun beim Treffen der Innen- und Justizminister am Donnerstag und Freitag in Luxemburg formal abgesegnet werden. Die Frist der bisher nur provisorisch verhängten Strafzölle auf Lederschuhe aus China und Vietnam läuft mit 6. Oktober aus.

Frankreich hatte den nunmehr angenommenen zweijährigen Kompromiss vorgeschlagen. Zuvor hatte Österreich mit einem Vorschlag, die Strafzölle auf ein Jahr zu beschränken, Bewegung in den Konflikt gebracht. Vor allem die südlichen EU-Staaten hatten auf Anti-Dumping-Maßnahmen gedrängt, während Großbritannien und Frankreich die Strafmaßnahmen ablehnten.

Bartenstein verteidigt Strafzölle

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) hat die von der EU beschlossenen Strafzölle auf Schuhimporte gegen China und Vietnam verteidigt. Österreich habe mit seinem Vorschlag, die Zölle auf ein Jahr befristet einzuführen, "die Tür geöffnet zu dem Kompromiss", sagte Bartenstein am Mittwoch in einem Telefonat mit der APA. Bei der Abstimmung der EU-Botschafter am Mittwoch habe sich Österreich neben Zypern, Slowenien und Malta allerdings enthalten.

Nach den Regeln der EU werden die Enthaltungen als Pro-Stimmen gezählt. Nach Angaben aus Ratskreisen hatten neun Länder für die zweijährigen Strafzölle votiert, zwölf Länder waren dagegen.

Bartenstein begründete die Enthaltung damit, dass man auch China und Vietnam die Möglichkeit geben wollte, sich an die Anti-Dumping-Regeln zu halten. Die Enthaltung sei auch als "Signal" an diese Länder zu verstehen, "dass wir nicht zu den Hardlinern gehören". Bartenstein: "Wir hätten ein Jahr bevorzugt."

Die von den Schuhherstellern kritisierte erwartete Preiserhöhung teilt Bartenstein nicht als Gegenargument gegen die Zölle. Pro Paar Schuhe würde ein zusätzlicher Betrag von 1 Euro bis 1,50 Euro anfallen. Gleichzeitig habe die Schuhbranche den Abbau von Arbeitsplätzen mit Billigkonkurrenz aus Asien gerechtfertigt, sagte Bartenstein.

Solidarität

Es gehe bei den beschlossenen Maßnahmen "auch um ein Stück Solidarität" unter den EU-Staaten, etwa wenn Italien seine Schuhindustrie verteidige, so der Minister. China und Vietnam hätten die Anti-Dumping-Regeln verletzt. Dies zeige sich unter anderem daran, dass die Exportpreise unter den Inlandspreisen liegen würden, sagte Bartenstein. "Wir wollten auch die (EU-)Kommission nicht im Regen stehen lassen", fügte der Wirtschaftsminister hinzu. Die EU-Kommission hatte Strafzölle für die Dauer von fünf Jahren vorgeschlagen. Die USA würden bei Anti-Dumping-Maßnahmen vielfach schneller reagieren als die Europäer, sagte Bartenstein.

Billig-Schuhe werden teurer

Billig-Schuhe aus China oder Vietnam könnten schon bald teurer werden. Bei Schuhen im mittleren bzw. gehobenen Preissegment werde der Konsument wahrscheinlich gar nichts merken, weil dort ein Ausgleich über die Preisspanne erfolge, sagte der Obmann des Bundesgremiums des Schuhhandels, Karl Novak, am Mittwoch zur APA.

Österreichs Händler und Produzenten haben sich immer wieder gegen die Einführung von Strafzöllen ausgesprochen, weil sie eine Verteuerung der Schuhe zur Folge hätten. Etwas bringen würden Strafzölle nur, wenn diese direkt der betroffenen Branche zu Gute kommen würden, betonte Novak.

Der Schuhhändler geht davon aus, dass Billigschuhe, die bisher rund 9 Euro gekostet haben, künftig 10,90 Euro kosten werden. Im Preissegment zwischen 50 und 60 Euro könnte es zu einer Erhöhung um 2 Euro kommen. Hier sei aber zu berücksichtigen, dass die Schuhpreise in den vergangenen Jahren um 15 Prozent gesunken seien.

Bei Markenprodukten sind laut Novak keine Preisanpassungen zu erwarten, weil hier über die Spanne ein Ausgleich erfolge. Großimporteure würden sich ohnehin damit helfen, einen Teil der Produktion nach Macao zu verlegen, denn so könne man die Zölle überhaupt umgehen.

Humanic-Chef: Stumpfsinnige Maßnahme

Als "stumpfsinnige Maßnahme" beurteilte der Vorstand der Leder & Schuh AG (Corti, Dominici, Humanic, Jello, Shoe 4 You und Top Schuh), Gottfried Maresch, die bevorstehende Einführung. Es sei "besonders ärgerlich", dass Österreich in seiner Freetrader-Position umgefallen ist. Ein "unerklärlicher politischer Einfluss" habe das Wirtschaftsministerium "umgedreht", sagte der Vertreter von Österreichs Branchenprimus am Schuhmarkt.

Mit dem Kompromissvorschlag Österreichs, Strafzölle für ein Jahr einzuführen, sei überhaupt erst wieder Bewegung in die Diskussion gekommen. Ohne den österreichischen Vorschlag wäre das "Thema vom Tisch gewesen", sagte Maresch. Nachdem sich Österreich in seiner Meinung gedreht habe, sei nun der französische Vorschlag angenommen worden.

Allerschlechteste Lösung

Diese Lösung sei aber nun "die allerschlechteste", weil sie den Schuhhändlern keine Planungssicherheit gebe. Wie sich die Strafzölle nun auf die Schuhpreise in Österreich auswirken, könne derzeit seriöserweise nicht abgeschätzt werden, weil mehrere Faktoren eine Rolle spielten, betonte Maresch. Natürlich verteuerten die Zölle die Einstandspreise. Viel werde aber auch in Dollar fakturiert, daher sei auch die Währungsrelation ausschlaggebend. Zudem entfallen 40 bis 50 Prozent des Preises auf Materialkosten, die wiederum von den weltweiten Lederpreisen abhängen, erläuterte Maresch.

"Wenn alles gleich bleibt, dann verteuern die Zölle die Preise", gibt der Leder & Schuh-Vorstand zu. Wie die Unternehmen dann damit umgehen, sei eine andere Sache. Die Nummer eins am heimischen Schuhmarkt werde jedenfalls versuchen, die Preise zu halten, sagte Maresch.

Haider hocherfreut

Der Kärntner Landeshauptmann und BZÖ-Gründer Jörg Haider zeigte sich hocherfreut. Gleichzeitig kritisierte er Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, welcher die Stimmenthaltung Österreichs bei der EU-Abstimmung zu verantworten habe: "Die Haltung Bartensteins zeigt einmal mehr die soziale Kälte innerhalb der ÖVP."

"Wir haben als einzige Partei in Österreich auf die Einführung von Schutzzöllen auf Billigimporte gedrängt. Das gleiche gilt für die Einführung sozialer und ökologischer Mindeststandards in der Produktion", erklärte Haider in einer Aussendung. Die Beschlüsse, Anti-Dumping-Strafzölle für die Dauer von zwei Jahren einzuführen, könnten nur der Beginn sein. Um heimische Wirtschaft vor Billigimporten aus Asien zu schützen "und so die schleichende Vernichtung tausender Arbeitsplätze zu verhindern", brauche man viel weiterreichende Schutzzölle, so der BZÖ-Gründer. (APA)