Wien - Wenn das alte Sprichwort stimmt, dass man, was man selbst nicht will, auch niemandem anderen zufügen soll, dann sind SPÖ und ÖVP, die sich vor einer Woche noch voller Erbitterung bekämpft haben, nun zu wahren Lamperln konvertiert, die brav an ihren Verhandlungspapieren feilen und sich ansonsten, ob des Wahlergebnisses, in Buße (ÖVP) oder in Demut (SPÖ) üben. Und die folgenden sind dann naturgemäß nur böse Latrinengerüchte ohne jeglichen Wahrheitsgehalt.

"Spins"

Oder, wie es Politikberater formulieren: Es handelt sich um jene "Spins", an denen jetzt so eifrig gedreht wird, damit man dann in einer Woche die jeweils beste Ausgangsposition für die Verhandlungen mit dem Gegner hat. So überhaupt ernsthaft verhandelt wird zwischen Rot und Schwarz, was ja die SPÖ der ÖVP abspricht und die ÖVP der SPÖ abspricht.

So kursiert etwa jenes Gerücht, wonach Bundeskanzler Wolfgang Schüssel noch Mittwochabend im Infrastrukturministerium unter den vermittelnden Händen von Hubert Gorbach mit Heinz-Christian Strache von der FPÖ und Peter Westenthaler vom BZÖ zusammengetroffen sein soll. Kein Kommentar von einem der drei Herren, klar.

Vermeintliches Geheimtreffen

VP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sagte, nach dem vermeintlichen Geheimtreff zur Vorbereitung von Schwarz-Blau-Orange befragt: "Ich weiß das nicht. Ich habe mich mit dem Bundeskanzler getroffen, aber nicht mit Strache oder Westenthaler."

So kursiert denn auch jenes Gerücht, dass ein Treffen zwischen Schüssel, Strache und Westenthaler gar nicht mehr nötig war, weil das - inhaltlich gesehen - ohnehin bereits Bartenstein erledigt hat, indem er mit BZÖ-Klubobmann Herbert Scheibner die Wahlfeier von Strache im Restaurant "Adam" aufgesucht haben soll.

"Regierung in sechs Wochen"

Auch ein lustiges Gerücht ist, dass SP-Chef Alfred Gusenbauer deshalb so Druck auf die ÖVP machen soll ("Regierung in sechs Wochen"), weil er mit dem Bundespräsidenten bereits ausgedealt habe, dass dieser "auf jeden Fall" eine rote Minderheitsregierung angeloben und die ÖVP damit in die Opposition verbannen werde.

Ein weiteres finanziell interessantes Gerücht besagt, die rote Gewerkschaftsbank Bawag habe die von der SPÖ so bekämpften "Eurofighter" schon zu mindestens 80 Prozent vorfinanziert - schon deshalb könne man aus dem Vertrag gar nicht mehr aussteigen.

Kein Ausstieg möglich

Oder Variante II: Die Vier-Milliarden-Euro-Gegengeschäftsvereinbarung zu den Eurofightern sehe vor, dass nicht EADS, sondern die Bundesregierung jene Firmen vorschlägt, die für die Gegengeschäfte herangezogen werden müssen. Was zur Folge hätte, dass Brüssel möglicherweise das massive Problem unrechtmäßiger Staatsbeihilfen erkennen könnte - aus dem Eurofightervertrag also allein schon deshalb nicht ausgestiegen werden kann.

Manchmal geht es an der Gerüchtebörse aber auch richtig persönlich zu. So soll es Finanzminister Karl-Heinz Grasser mit Macht in die internationale Finanzwelt ziehen, er soll schon zwischen zwei und fünf Angebote haben. Und VP-Landwirtschaftsminister Josef Pröll will angeblich gar nicht Schüssel-Nachfolger werden, wie alle anderen behaupten, er würde angeblich zu gerne Klubobmann Wilhelm Molterer den Vortritt lassen. Kein Gerücht ist, dass Bildungsministerin Elisabeth Gehrer von der eigenen Partei als pensionsreif erachtet wird.

"Kursabschläge"

An den Aktienbörsen wirken sich Gerüchte zu anstehenden Übernahmen in aller Regel kurstreibend aus, an der politischen Gerüchtebörse sind hingegen eher "Kursabschläge" programmiert. So hat es den Grünen bis heute schwer geschadet, dass es im letzten Wahlkampf hieß, die Ökopartei sei für "Hasch-Trafiken" und dafür, dass alle Österreicher bei einer grünen Regierungsbeteiligung zum Vegetarismus zwangsverpflichtet würden. (Michael Bachner Petra Stuiber Barbara Tóth/DER STANDARD, Printausgabe, 06.10.2006)