Der Verein "Power4me" will ihnen in ganz Österreich beibringen, "Nein" zu sagen.

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Wien - "Nein! Ich will das nicht!" Laut sollen diese Worte ausgesprochen werden, begleitet von einer wegstoßenden Armbewegung. Damit sich Kinder, die sich in einer gefährlichen oder unangenehmen Situation befinden, auch trauen zu schreien, wegzustoßen oder davonzulaufen, brauchen sie Unterstützung und eine gehörige Portion Selbstbewusstsein - die sie lernen können.

Jedes dritte bis vierte Mädchen und jeder siebente bis achte Bub ist bis zum 16. Lebensjahr von sexueller Gewalt betroffen. Gewalt könne man nicht ausschließen, aber möglicherweise verhindern, sagt Eva Hötschl, Obfrau des Wiener Vereins "Power4me", der sich der Verhinderung von Gewalt und Missbrauch an Kindern und Jugendlichen gewidmet hat. Mit Selbstverteidigungskursen, die Kinder ermutigen, "laut zu sein, zu schreien, sich Hilfe zu holen", leisten die vier Trainerinnen des Vereins Präventionsarbeit mit dem Ziel, Kindern richtige Verhaltensweisen in unangenehmen Situationen spielerisch beizubringen: mit Geschichten oder Übungen, wie etwa schreiend durch den Turnsaal zu laufen. Mit der finanziellen Unterstützung der Wiener Städtischen Versicherung wollen sie Kurse auch in den Bundesländern anbieten.

Scham spielt eine große Rolle

Doch Kinder sollen nicht nur lernen, selbstbewusst aufzutreten, sondern auch über Sexualität und ihren Körper zu sprechen. Scham spielt eine große Rolle, warum Kinder sich ihren Eltern oder anderen Menschen in ihrem Umfeld nicht anvertrauen können. Und sie sollen wissen, dass sie niemals schuld an dem sind, was ihnen passiert ist, betont Hötschl.

Schauspielerin Dagmar Koller, Schirmherrin des Vereins, spricht bei einer Pressekonferenz offen an, dass auch sie als Siebenjährige Opfer von sexueller Gewalt wurde. Ihr Klavierlehrer habe ihr in die Strümpfe gefasst und auch als "kleines Ballettmäderl" sei sie von älteren Männern betatscht worden. Sie schämte sich, sich ihrer Mutter oder ihrem Bruder, der ihr "sogar das Boxen beigebracht" hat, anzuvertrauen, erzählt sie aufgewühlt. Erst mit 28 Jahren konnte sie über die Erlebnisse sprechen. "Warum ist das so, dass sich Mädchen und Frauen schämen zu erzählen?", richtet Koller die Frage an Kinderpsychiater Max Friedrich.

Kuss für den Onkel

Als Antworten nennt Friedrich die Scham, aber auch die ambivalenten Gefühle der Kinder zu den Gewalttätern. Denn einerseits liebe ein Kind seinen Stiefvater. Doch andererseits möge es seinen Gutenacht-Kuss und seine Berührungen nicht. Eltern sollten Zivilcourage an den Tag legen und ihre Kinder dazu ermutigen, Ja und Nein zu sagen. Wenn dieses dem pfeifenrauchenden Lieblingsonkel der Mama keinen Kuss geben wolle, dann sei das zu akzeptieren. Sie sollen ihre Kinder auch lehren, ihre Körperteile zu benennen. Gerade vor Gericht sei Zweifelsfreiheit wichtig, sagt er. Ein "er hat mich da unten angefasst" sei nicht ausreichend. (Marijana Miljkovic/DER STANDARD, Printausgabe 11.10.2006)

Link www.power4me.at