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Das Verhandlungsteam der SPÖ

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Alfred Gusenbauer im Budgetsaal des Parlaments. Den 200 geladenen Gästen skizzierte der SPÖ-Chef seine Vorstellungen einer künftigen Regierung – mit der ÖVP.

Foto: Standard/Matthias Cremer
SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hat am Mittwoch in einer Grundsatzrede im Parlament "zehn Schlüsselprojekte" für die Zukunft Österreichs und die am Freitag startenden Koalitonsverhandlungen mit der ÖVP definiert. Wie schon in den Tagen nach der bald zwei Wochen zurückliegenden Nationalratswahl präsentierte sich Gusenbauer vor rund 200 geladenen Gästen - darunter auch Industriepräsident Veit Sorger oder Christoph Badelt, Vorsitzender der Rektorenkonfernz - staatstragend und kompromissbereit.

Lediglich einmal erlaubte sich Gusenbauer in guter alter Oppositionsmanier einen Seitenhieb auf die zurückliegenden Regierungsjahre unter Schwarz-Blau beziehungsweise Schwarz-Orange. Für Dinge wie Postenschacher oder die Aushebelung von Kritikern "brauche ich keine große Koalition, das schaffen andere Koalitionen auch".

Ohne Hochmut

"Wir gehen selbstbewusst, aber nicht hochmütig in die Verhandlungen", sagte Gusenbauer. Er hofft, dass sich "beide Seiten" bewusst seien, dass "beide Abstriche" machen müssen, sagte der SPÖ-Vorsitzende auch in Richtung seiner eigenen Anhängerschaft. Und: "Ich sehe bei keinem einzi- gen Schlüsselprojekt unüberwindbare Hürden."

Inhaltlich blieb Gusenbauer bei seinen Ansagen aus dem Wahlkampf - die Abschaffung der Studiengebühren oder die Gruppenbesteuerung erwähnte er nicht mehr. Ansonsten sprach Gusenbauer alle zentralen SP-Forderungen an. Einsparungspotenzial, um alle Maßnahmen - vom Arbeitsmarkt bis zu Investitionen in Bildung und Infrastruktur - zu finanzieren, sieht er vor allem in einer Staats- und Bürokratiereform. Und eine solche könne nur einer große Koalition mit ihrer Zweidrittelmehrheit und der Einbindung der roten und schwarzen Landeshauptleute glücken, ist Gusenbauer überzeugt.

"Gespräche" mit Grünen, FPÖ und BZÖ

Wiewohl Gusenbauer auch "Gespräche" mit Grünen, FPÖ und BZÖ führen will und betonte, klugen Vorschlägen offen gegenüberzustehen, machte er mehrmals klar, zu einer Koalition mit der ÖVP keine Alternative zu sehen. "Österreich braucht eine stabile Regierung. Das kann nur mit der ÖVP sein, wenn man so wie ich wenig von Experimenten und Dreiparteienbündnissen hält."

Den meisten Applaus erntete der Wahlsieger mit seiner neuerlichen Ansage, 45 Jahre Arbeit müssten genug sein für eine "anständige" Pension. Dem Frieden in der Welt, ist Gusenbauer überzeugt, sei mehr durch eine engagierte Europa- und Außenpolitik gedient als durch den Ankauf "auch noch so vieler Abfangjäger". Und zu der auf ÖVP-Seite abgelehnten Grundsicherung stellte er klar, dass es sich bei diesem Vorschlag nicht um ein "arbeitsloses Grundeinkommen" handle, sondern um eine "Mindestsicherung, die dann greift, wenn alle anderen Instrumente der Armutsbekämpfung versagen".

Zu der Vorgangsweise in den Koalitionsgesprächen sagte Gusenbauer, er wolle zuerst die Ziele definieren und dann nach den besten Maßnahmen suchen. Erst am Ende der Verhandlungen wolle er über die Finanzierbarkeit reden. Klar sei jedoch von Anfang an, dass "wir uns stabilen Staatsfinanzen verpflichtet fühlen", sagte Gusenbauer, ohne sich die erwartbare Kritik an Noch-Finanzminister Karl-Heinz Grasser zu sparen. Diesem hielt Gusenbauer vor, dauernd stolz die Stabilität der Staatsfinanzen vor sich herzu- tragen und in Wirklichkeit für ein kräftig gestiegenes Defizit in Zeiten kräftigen Wirtschaftswachstums verantwortlich zu sein.

Kaum ein Land habe derart viel Erfahrung mit einer großen Koalition wie Österreich, sagte Gusenbauer. An positiven Erfahrungen zählte der Sozialdemokrat den Wiederaufbau nach dem Krieg, die soziale Sicherheit und den EU-Beitritt auf. An negativen Erfahrungen nannte auch Gusenbauer die bekannten Schlagworte "Stillstand" und "wechselseitiges Blockieren".

"Schlüsselprojekte"

Warum in den nächsten vier Jahren alles anders werden soll, beantwortete Gusenbauer nicht, sondern sagte nur, er sehe die "Chance für eine umfassende Modernisierung" des Landes. In seiner teils frei gehaltenen, teils vom Manuskript abgelesenen Rede stand die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit an erster Stelle. Dahinter folgten die anderen neun "Schlüsselprojekte": Stärkung von Wachstum, Innovation und Mittelstand, die Bildungspolitik (bei der das Reizwort Gesamtschule nicht fiel), Gesundheit und Pflege, menschenwürdiges Altern, Gleich-berechtigung der Frauen, Armutsbekämpfung, Staats- und Bürokratiereform, Zuwanderung und Integration sowie zu guter Letzt die "Verantwortung für Europa".

Kritik an USA

Bei diesem Punkt tätigte Gusenbauer seine einzige wirklich außenpolitische Aussage, die sich allerdings darin erschöpfte, dass er den Irakkrieg nicht für die Lösung des Terrorproblems in der Welt hält.

Zum Schluss seiner rund dreiviertelstündigen Rede umriss Gusenbauer seine Vision von Österreich im Jahr 2010. "Land der Arbeit, Land des Lernens, Land der Würde, Land des Wissens, Land der Fairness, Österreich." (Michael Bachner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.10.2006)