Simon Weber-Unger wurde in seiner Kindheit mit dem Forscherbazillus infiziert.

Foto: Margret Weber-Unger

In seinem "Wissenschaftlichen Kabinett" und als Experte im Dorotheum. Die Kinder der Kunsthändler: Teil 5.

Wien – Ihr Lebensraum ist Sand beziehungsweise Schlamm, dort liegen die Lanzettfischchen teilweise vergraben und filtern Plankton nebst sonstigen kleinen organischen Partikel aus ihrer Umgebung. Die Gattung Branchiostoma lanceolatum – meist im Schwarzen Meer und im Mittelmeer beheimatet, aber auch an den Küsten Frankreichs, und Skandinaviens – genießt seit Kurzem Simon Weber-Ungers Aufmerksamkeit.

Konkret ein 25-teiliges 1880 im "Atelier für wissenschaftliche Plastik Adolf Ziegler" in Freiburg ausgeführtes Lehrmittel. Nur selten sind solche aus Wachs gefertigten Modell-Serien komplett erhalten und finden gemeinsam mit anderen Raritäten doch immer wieder in Weber-Ungers "Wissenschaftlichem Kabinett" kurzfristig eine neue Heimstatt.

Keine Frage, in dieser Fachsparte sind solche Objekte Hofburg-würdig, gelten im Rahmen der demnächst dort stattfindenden Messe für Kunst und Antiquitäten (4. bis 12. November) deshalb als Highlight und werden für 12.600 Euro den Besitzer wechseln.

Ein ähnliches Schicksal steht der mit 32.000 Euro veranschlagten astronomischen Uhr mit Erdglobus von J. G. Geissler bevor, zwischen 1796 und 1807 wurde sie von dem bislang unbekannten Meister in Zittau ausgeführt. Nicht ohne Stolz erwähnt Weber-Unger, dass mit dieser Entdeckung und dank akribischer Recherchen jetzt auch die Sternenscheibe eines deutschen Museums zuschreibbar wird. Wann er mit diesem Forscherbazillus infiziert wurde? Das hat sich mit der Zeit entwickelt. Es begann mit der Sammelleidenschaft des Vaters, einem Zahnarzt, der Anfang der 90er-Jahre dann das kleine und heute noch bestehende Handelsdomizil in der Spiegelgasse eröffnete, betrieben zwei Stunden täglich, im Anschluss an die Ordination.

Bald fanden sich hier Gegenstände verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen ein: aus der Medizin, der Physik und Astronomie oder Meteorologie und hier Lehr- oder Versuchsmodelle. Ein kleines Universum von aus heutiger Sicht geheimnisvollen Instrumentarien, neben Sonnenuhren und Mikroskopen auch optische und vermessungstechnische Apparate.

Versuchsmodelle

Erste Handelserfahrung holt sich der Filius während der Schulzeit. Im wahrsten Sinn des Wortes. Während der ersten Unterrichtsstunde stöberte Simon an manchen Samstagen noch im Flohmarktangebot. Dass er von diesen Instrumenten und Objekten aus einer Zeit, als die Wissenschaft teilweise noch in den Kinderschuhen stand, auch seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte, das hätte er niemals gedacht.

Eines kam zum anderen. 2001 übernimmt er das Geschäft und kurze Zeit später die Verantwortung für diese Sparte im Dorotheum. Die Kombination zwischen Händlertum und Expertenfunktion sieht er als Herausforderung, und als impulsgebend für den Markt. 2003 absolviert er seinen ersten Messeauftritt – mit Erfolg. Die Mehrheit des staunendes Publikums konnte zwar bisweilen ein Fernrohr von einem Mikroskop nicht unterscheiden, aber das blieb sekundär.

Der eine Teil seiner Kunden kommt aus den Fachgebieten, der andere erliegt dem dekorativen oder auch wissenswerten Charme: Angesichts einer homöopathischen Reiseapotheke um 1830 samt Globuli-Restbestand, Insignien der frühen Pädagogik in Form geometrischer Modelle aus Papier (ab 400 Euro) oder einer Sammlung von Apothekergefäßen aus dem 18. Jahrhundert (ab 300 Euro). (Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.10.2006)