Wien - In Wien-Floridsdorf wird das Wetter gebraut, denn dort, in der Paukerwerkstraße 3, steht die größte Klima-Windkanal-Anlage der Welt.
Bis Freitag steht in einem der zwei Kanäle des Rail Tec Arsenal, in welchen Extremwetterbedingungen und -geschwindigkeiten simuliert werden können, auch der neueste Bus der Wiener Linien. Er wird auf minus 27 Grad Celsius abgekühlt, mit Schneeregen aus Schläuchen besprüht und mit Sonne aus Reflektoren auf 40 Grad plus aufgeheizt. Das alles dient dazu, die Einsatztüchtigkeit des Flüssiggas-Busses zu testen und Fehler auszuschließen, bevor der Bus in Serie bestellt wird. So ein Test kostet laut Wiener Linien 38.000 Euro. Wenn man die Busse umrüsten müsse, weil sie auf der Straße nicht funktionieren, dann käme das viel teurer als der Windkanal-Test, rechtfertigt Peter Wiesinger, Fahrzeugtechniker der Wiener Linien, die Kosten.
Lokalaugenschein
Beim Lokalaugenschein hatte es im Kanal frische sieben Grad minus und die Überprüfung begann: Die verschneite Tür konnte geöffnet werden, der Motor legte einen Kaltstart hin, die Scheibenheizung versagte nicht und auch die Scheibenwischer wischten. Wie das Produkt in der Haarspray-Werbung bestand der Bus den Test: "Perfekter Halt. Drei-Wetter-...". Ob die Klimaanlage bei 40 Grad Hitze funktioniert, wird sich noch herausstellen. Die Temperaturänderung erfolgt auf Knopfdruck.
Tropische Tests
Das Rail Tec Arsenal (RTA) ist ein Forschungsinstitut für Schienen- und Straßenfahrzeuge und steht seit 2003 auf den Pauker-Gründen. Doch nicht nur Lkws, Züge oder Busse werden in den zwei Kanälen, in denen Temperaturen von minus 50 und plus 60 Grad erzeugt werden können, getestet. Auch Sportgeräte und Hubschrauber setzen sich dem Härtetest aus. Diese Extremtemperaturen seien aber noch von keinem Auftraggeber verlangt worden, sagt RTA-Geschäftsführer Wolfgang Palz. Mit den Flughafenbussen oder Gondeln aus Dubai war man aber nah dran. Diese hätten den 50-Grad-Hitzetest bestanden, erzählt Palz.
Die zwei Klima-Wind-Kanäle können gleichzeitig bei unterschiedlichen Temperaturen betrieben werden, wobei einer 100 Meter und der andere 31 Meter lang ist. Der Energieverbrauch der gesamten Anlage ist mit dem Bedarf einer Kleinstadt vergleichbar. 15 Megawatt beträgt die gesamte Anschlussleistung des Kanals, so viel benötigt auch eine 3000-Einwohner-Stadt im Jahr. Der gesamte umbaute Raum von 120.000 Kubikmetern entspricht laut RTA 120 Einfamilienhäusern.
Auf dem Laufband
Schienenfahrzeuge werden vorwiegend im großen Kanal getestet, Straßenfahrzeuge im kleinen. Eine Ausnahme gab es allerdings bei einem Fahrzeug der britischen Luxusmarke Bentley. Hier wurde das Auto bei starkem Regen und 250 Kilometern pro Stunde durch den großen Kanal gejagt, wobei das Fahrzeug nicht wirklich gefahren wurde. Die Räder wurden auf einer Rollenvorrichtung, dem Dynamometer, befestigt und die Geschwindigkeit wurde mit Fahrtwind simuliert. Bis zu 300 Kilometer pro Stunde sind im großen Kanal möglich. Auch wenn bei Regenwetter niemand mit 250 Sachen durch die Gegend preschen würde, so würde es möglicherweise bei Schönwetter geschehen, sagt Palz.
Das "Laufband" für Schienenfahrzeuge heißt Rollenprüfstand, und auch hier muss sich der Motor so bemühen, als würde er den ganzen Zug ziehen. Beim Test, dem der Hubschrauber unterzogen wurde, entledigte man sich der Rotorblätter und befestigte stattdessen Gewichte. Es wurde ausprobiert, ob auch bei 40 Grad minus gestartet werden konnte. Zu den weiteren Sondertestprojekten zählten beispielsweise auch elektronische Schaltschränke für Funkanlagen oder Windschutzwände, erzählt Palz.