Wien - Das Signal für das Projekt Hauptbahnhof Wien hätte am Donnerstag in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung der ÖBB auf Grün gestellt werden sollen - doch die Sitzung entwickelte sich ausgesprochen turbulent. Und am Ende gab es auch keinen definitiven Beschluss für den Bau - sondern ein Bekenntnis zum Vorhaben. In der Eisenbahner-Fachsprache würde man sagen: Der Zug in Richtung Zentralbahnhof konnte gerade einmal das Vorsignal passieren - das Hauptsignal bleibt vorerst auf Rot.

Wie mehrere Aufsichtsratsmitglieder dem Standard berichteten, fehlen für das Vorhaben noch 200 Millionen Euro - insgesamt werden für die Errichtung des neuen Bauwerks zwischen dem Süd- und dem Ostbahnhof bereits 700 Millionen Euro benötigt.

Aber auch sonst gab es deutliche Kritik an den - erst sehr spät - vorgelegten Unterlagen: Die seien teils unzureichend aufbereitet.

ÖBB-Vorstandssprecher Martin Huber betont jedenfalls: "Unser Bericht wurde sehr positiv aufgenommen." Auch wenn formell kein endgültiger Beschluss gefallen sei: "Die Weichen sind gestellt, der neue Hauptbahnhof Wien steht vor der Realisierung."

Wobei Huber auch bestätigte, dass noch 200 Millionen fehlen: "Die Kosten haben sich unter anderem durch Valorisierungen erhöht. Ich möchte nicht wieder den Fehler wie bei früheren Projekten begehen, dass erst irgend eine Summe beschlossen wird, die sich dann während des Baus immer weiter erhöht."

Laut Huber müssten noch Verhandlungen über Umschichtungen oder vielleicht auch über eine Erhöhung des Budgets mit den zuständigen Ministerien geführt werden. Der Abschluss der Verhandlungen müsse "rasch erfolgen, wenn wir unseren ambitionierten Zeitplan nicht gefährden wollen. Jede Verzögerung hätte auch Auswirkungen auf die Kosten."

Zuversichtlich gibt sich auch Wiens Finanzstadtrat Sepp Rieder: "Ich war anfangs sehr skeptisch, aber inzwischen bin ich mir sicher, dass das Vorhaben gelingen wird." Wobei aber auch noch über den Finanzzuschuss durch die Stadt diskutiert wird - zuletzt war davon die Rede, dass insgesamt bereits 130 bis 140 Millionen Euro erwartet werden. Rieder: "Es gibt eine fixe Vereinbarung, dass Wien einen Fixbetrag von 40 Millionen Euro für den Bahnhof zuschießt, sowie 80 Millionen - oder mehr - für begleitende Infrastrukturmaßnahmen im Umfeld."

Der Finanzstadtrat zu Gerüchten, dass für den Bahnhof nun 40 Millionen zusätzlich begehrt werden könnten: "Das ist sicher nicht direkt zwischen den Verhandlungspartnern aufgetaucht. Wenn, dann durch Zurufe von außen, vielleicht vom Bund."

Huber dazu: Man werde sicher noch einmal probieren, mit der Stadt zu verhandeln, "aber Wien war schon großartig und hat sich schon sehr weit gerührt, das muss ich betonen."

"Durchschnittlich"

Kritik kam am Donnerstag auch von Dietmar Steiner, Direktor des Architekturzentrums Wien (AzW): Der geplante Bau werde vermutlich zwar nicht schlecht, aber es handle sich letztlich um nicht mehr als "durchschnittliche Investorenarchitektur". Dass die Bahnhofsgestaltung ohne weiteren Architektenwettbewerb an die Sieger im städtebaulichen Verfahren vergeben wurde, wundert Steiner nicht: "In Wien ist das normal, aber es ist durchaus kritikwürdig." (Roman David-Freihsl Luise Ungerboeck, DER STANDARD - Printausgabe, 13. Oktober 2006)