Foto: Viennale

Ein soignierter älterer Herr im Nadelstreif spaziert mit seinem Assistenten durch steirische Wälder, nahe dem Dachstein. Die beiden sind französische Geschäftsleute, auf der Suche nach der Niederlassung eines Lodenerzeugers. Aber den älteren Mann, Monsieur Fouad, verbindet auch noch ein anderes Interesse mit dieser Umgebung: In seiner Jugend hat er hier viel Zeit verbracht.

Home (2006) heißt der 50-minütige Spielfilm von Patrick Chiha. Vermittelt durch die Figur der Hauptperson rückt allmählich eine zweite biografische Erzählung in den Vordergrund: Die Mutter des Mannes, eine gebürtige Wienerin, hat es nach Kriegsende in den 1950er-Jahren in den Libanon verschlagen. Dort macht sie als Tänzerin Karriere. Eine Ehe endet tragisch, eine zweite führt sie mit ihrem Sohn in die Vereinigten Staaten, schließlich kommen sie wieder nach Österreich zurück. Fouad hat dem Land später den Rücken gekehrt.

All das wird in Form von langen Monologen kundgetan, die sich weniger an den schnell ein bisschen abwesend wirkenden Begleiter richten, sondern viel mehr ins Off, in den Kinoraum weisen. Die "friedlichen Landschaften" bringen dieses Sprechen hervor, inwiefern sie damit ursächlich verbunden sind, bleibt im Hintergrund.

Ihr markantes Grün, das die Erzählung begleitet, verbindet diesen Film mit einem zweiten. Die Titel scheinen auf den ersten Blick austauschbar: Die Herren (2005) hat Chiha seine dokumentarische Nachschau im "Haus der Künstler" in Gugging genannt. Auch hier geht es um Verbindungen zwischen Bild und Tonspur, die sich erst auf den zweiten Blick erschließen:

Während statische Aufnahmen zuerst die Umgebung und dann Bewohner des Hauses, Gemeinschaftsräume, Gänge, Zimmer in den Blick rücken, werden immer wieder Passagen aus Texten von August Walla, Johann Korec, Johann Fischer und Arnold Schmidt eingesprochen.

Erst bei konzentrierter Betrachtung werden punktuelle Berührungen deutlich: "Luluhonig" steht beispielsweise in großen Lettern auf einer Hauswand, nachdem das Wort zuvor gefallen ist. Die distanzierten Bilder, die vermeintlich nur beiläufige Beobachtungen von Arbeit und alltäglichen Handgriffen wiedergeben, werden so zur Zeichenlandschaft. Umgekehrt werden die Texte - lautmalerische Wortkaskaden, akribische Vermessungen von Vorkommnissen oder beredte Beschreibungen von Innenwelten - in Bezug auf die Bilder konkret.

Der junge Regisseur ist noch mit einer dritten Arbeiten vertreten: Der Kurzfilm Casa ugalde entstand 2004 - auch dabei sind Bilder ein Initialmoment für die Fiktion. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15./16.10.2006)