Wien - Dass es eine Liebesehe wird, daran glaubt sowieso niemand. Muss es auch nicht. Es soll ja nur eine Lebensabschnittskoalition werden. Bis ins kleinste Detail vertraglich geregelt. Viele Verhandlungstage und wohl auch Nächte lang. der Standard befragte Experten nach einem Knigge für Koalitionsverhandler. Wie verhandelt man richtig - oder bewusst falsch? Was kommt gut, und was lässt "die anderen" am grünen Tisch sicher rot sehen?

Vor der Ehe kommt der Polterabend. So einen würde Psychologe Werner Stangl von der Uni Linz als "Aufwärmphase" den rot-schwarzen Partnern in spe empfehlen: "In lockerer, verhandlungsfreier Umgebung" sollten sich die Kontrahenten, die er für "zwei gleichwertige Gegner" hält, begegnen, bevor es ans Eingemachte geht. Eine idealtypische Gesprächsstruktur gliedert Stangl in vier Teile: Die Kontaktphase, wo mit "Eisbrechern" das Gespräch mit persönlichen Worten soft eröffnet wird, in der "Aufmerksamkeitsphase" werden die konkreten Arbeitspunkte benannt, dann folgt die "Unterredung" an sich, und am Ende steht das jeweils aktuelle "Gesamtfazit". So die reine Lehre vom guten Verhandeln.

"Engel und Teufel"

Wer die Koalitionsgespräche aber in Wirklichkeit killen möchte, sollte es mit psychologischer Kriegsführung probieren. Auch dafür kennt Stangl Kniffe: Bringen Sie dem Gegenüber wenn schon nicht gefälschte Fakten, dann zumindest unvollständige Informationen mit. Erzeugen Sie Stresssituationen oder starten Sie persönlichen Angriffe. Bringen Sie "Engel und Teufel" mit - einer macht auf nett, ein anderer stichelt und darf aggressiv sein. Salami-Taktik oder sich dumm stellen, entnervt selbst geübte Verhandler. Beliebte Dirty Tricks am Verhandlungstisch sind Extremforderungen und vermeintlich unverhandelbare Sachzwänge. Auch der Satz: "Nehmen Sie an oder lassen Sie's", könnte Sie dem Ende der Verhandlung schnell näher bringen.

Kampf der Gschichtln und Kulturen

Wer gemeinsam ins Ziel möchte, sollte das schnell vergessen. "Die große Schwierigkeit liegt nach diesem Wahlkampf, bei dem es viele Angriffe unter der Gürtellinie gab, vor allem darin, dass wir Österreicher eine Kultur der ,Gesichtswahrer' haben", meint der internationale Managementcoach Claudia Daeubner von Success & Career Consulting International, die schon weit größere Kulturdifferenzen als zwischen Rot und Schwarz überwunden hat: "Immer, wenn jemand dermaßen zum Verlierer gemacht wird, wird er sein ganzes Sinnen und Trachten dahingehend ausrichten, den anderen in Zukunft zum Verlierer zu machen."

Das wäre ein No-No, warnt Wirtschaftsmediator Klaus Hübner: "Selbstverständlich spielt es eine Rolle, wer mit wem ,kann' oder ob es da viele ,Gschichtln' gibt, die zwischen den Verhandlern stehen. Aufräumen kann man nur, wenn man die Interessen offen legt und schaut, wie man sie abgleichen kann." (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe 14./15.10.2006)