Jeweils montags, mittwochs und freitags eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Es war vorige Woche. Da hat K. dann nach einem Hammer gerufen. Und zum Glück keinen bekommen. Weil ich mir nicht so sicher bin, ob K. damit tatsächlich nur die Maus aus ihrer Verpackung befreien wollte – oder doch gleich, „pars pro toto, liebe Leute, pars pro toto – da habt ihr wieder ein schönes Beispiel dafür“, hätte mein Lateinprofessor an dieser Stelle eingeworfen) die Maus mit dem Rundumplastik zerdeppert hätte. Zu den Verzweiflungs- und Wutgeräuschen, die da die zehn Minuten vor dem „ich brauche einen Hammer“-Gebrüll zu hören waren, hätte das nämlich gut gepasst.

K. hatte nämlich eine neue Maus bekommen. Ein Kollege, der aus Gründen, die er selber nicht mehr nachvollziehen kann (er schreibt über alles außer über Technik), auf der Beschenkungsliste eines Hardware- und Peripherieherstellers steht, hatte das Ding weitergegeben. Weil er halt wirklich nicht mehr weiß, wohin mit all dem Techno-Schrott. Und K., dessen Maus ein klassisches Oldschool-Gerät ist, hatte freudig zugegriffen. Damit war sein Tag gelaufen.

Handtellergroß

K. scheiterte nämlich an der Verpackung. Und verzweifelte dann auch daran, weil er versuchte, das Konzept dahinter zu verstehen: Ein handtellergroßes Dingsbums wird in eine doppelte Schicht Klarsichtplastik gestopft – und diese Hülle dann so verschlossen, dass man sie ohne Einsatz von Bergescheren und Chirurgenbesteck unter Garantie nicht mehr aufbekommt: Knicken, reissen, ziehen, drehen, kletzeln? Alles sinnlos. Und wer je mit einer normalen Schere so ein Plastikteil aufgeschlitzt hat, weiß spätestens beim dritten solchen Objekt, dass das Plastikschneiden sich auf die Schärfe von Papierscheren ungefähr so auswirkt, wie Papier- oder Blechschneiden auf teure Küchenmesser: Verheerend.

Darüber hinaus verzweifelte K. am schieren Packvolumen: Eigentlich, erzählte er später, hätte er die Maus ja mit nach Hause nehmen wollen. Aber das Klarsichtdingsbumms war deutlich idiotengroß – und auch noch elegant kegelförmig: Obwohl, wie K. am Schluss staunend fest stellte, außer der Maus und ein bisserl Papier in der Packung nichts drin war (was auch? Wozu auch?) war sie an der Unterkante gut sieben, vielleicht ja sogar zehn Zentimeter dick. Und die Schräge machte es einfach mühsam bis unmöglich, das Ding in einer Tasche sinnvoll zu verstauen.

Doppelpack

Darum begann K. hinter der Wand in meinem Rücken an der Verpackung zu werken. Und zu klagen: Vielleicht, maulte es da durch die offene Tür, sei es ja wirklich kleinlich, aber es ärgere ihn, gegen ein Stück Plastik antreten zu müssen, das kein Mensch brauche – und zu verlieren. Er wisse ja selbst, dass man derlei Verpackungsunfug ohne Werkzeug nicht beikäme – aber weil er das einfach nicht akzeptieren wolle, versuche er eben jedes Mal aufs Neue, zuerst einmal manuell an das eingeschweißte Zeug zu kommen. Und bei jeder Niederlage würde der Ärger größer.

Im Maus-Fall wurde K.s Frust aber noch gedoppelt: Als er die Hülle endlich siegreich zerstört hatte, kam das Objekt der wütenden Begierde immer noch nicht heraus: Es steckte in einer zweiten, engeren Plastikschicht – und die war so knapp um das Computertrum gepasst, dass K. beim Versuch, die Plastikhaut mit der Schere zu durchstechen gleich die ersten Schrammen und Kratzer in die Maus machte. Machen musste, wie er betonte. Und als dann die Hülle geknackt war, steckte die Maus immer noch fest. Ließ sich nicht einmal – so wie etwa Tabletten aus ihrer Verpackung – herausdrücken. Da rief K. dann nach dem Hammer.

Es war eine Kollegin, die – mit einem Stanleymesser – der Maus das elektronische Leben rettete: Sie setzte einen sauberen, engen Schnitt rund um das kleine Kabeltier, das sich dann anstandslos auf K.s Schreibtisch setzen ließ. K. seufzte, steckte das Ding ein und beruhigte sich wieder. Was K. aber nicht weiß: Bei mir liegt seit heute ein überzähliges Set Computer-Kopfhörer. Gut verpackt. Die bekommt K. morgen auf den Tisch.