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Ein 1997er-Vor-Bild für die jungen Kunstarbeiter der Kaikai Kiki Corporation.

Foto: APA
Der Meister selbst - Takashi Murakami - zeigt keine Werke.


Lyon – Die japanische Künstlergruppe "Kaikai Kiki Corporation", welche der durch seine Zusammenarbeit mit Louis Vuitton weltberühmt gewordene Takashi Murakami nach dem Vorbild von Andy Warhols "Factory" leitet, ist bis zum Jahresende mit drei jungen Mitgliedern im Lyoner Musée d’art contemporain vertreten. Mit strengem Auge überwachte der 1962 geborene Takashi Murakami die Hängung der Gemälde, Aquarelle, Skulpturen sowie das Funktionieren der Video-Screens in drei weiten Museums-Sälen, von denen jedem Künstler einer zur Verfügung steht. Der gemeinsame Nenner der "Kaikai Kiki"-Künstler ist die Referenz an die Manga-Bilderwelt.

Präpubertäre Kinder befinden sich im Zentrum eines fantasievollen, kruden Plots. Oft dominieren grelle Farben in den von der Realität abgehobenen Kinderszenen. Nicht umsonst heißt "Kaikai Kiki", je nach Übersetzung, entweder "Heroin" oder "merkwürdig". Genaues weiß man nicht. Wie überhaupt die Kommunikation mit den Künstlern in Lyon dem Film von Sophia Coppola "Lost in Translation" ähnelte. Die Arbeiten der zwei jungen Frauen der "Kaikai Kiki Corporation" sind besonders fantasievoll und faszinierend: Die 1976 geborene Aya Takano bindet sich formal und farblich mit ihrer erotischen bis pornografischen Dimension an die Tradition der japanischen Holzschnitte des 17./18. Jahrhunderts. Langbeinige Mädchen mit übergroßen Augen, nasenlosen Gesichtern, Schmollmund, rosa Backen und Rutschknien werden von dünnbeinigen Knaben penetriert oder ergötzen sich an männlichen Gliedern. Junge Mädchen nehmen, eng umschlungen küssend, voneinander Abschied. Ein mit Kimono bekleidetes Mädchen sitzt wie eine Geisha im Teehaus. Eine für Lyon angefertigte Aquarellserie berichtet von ersten sexuellen Erfahrungen.

Einen farblich und thematisch völlig anderen Ansatz findet man bei der 1974 geborenen Chiho Aoshima, deren idyllisch anmutende Gemälde und Videos bunte Geschichten von Gänsehaut gerierenden Mutationen erzählen.

Bunte Zombies

Aoshima entwarf für die Lyoner Ausstellung ein vollständig austapeziertes Kabinett, dessen Wände, Plafond und Boden mit bedrucktem Papier ausgelegt sind. Es finden sich die gleichen Bildelemente wie auf ihrem (von Takashi Murakami produzierten) Video City Glow, das simultan auf fünf Plasmaschirmen läuft: Abgerundete Wolkenkratzer, die sich wie zoomorphe Gebilde neigen, worüber sich eine Unterwasserwelt mit bunten Fischen schiebt, die von einem Gewitter und Wassermengen überschwemmt wird. Auf Aoshimas Gemälden spazieren frisch dem Grab entstiegene Zombies durch die Landschaft und über einen Regenbogen – ein Symbol für Glückseligkeit, meint die Künstlerin.Auf zwei in kräftigen Farben gehaltenen Rollbildern werden bunte Elfen oder Motten verbrannt: Pseudo-idyllische Welten, in denen das Gruseln lauert.

Der unter dem Pseudonym "M." arbeitende, ehrgeizig blickende, 1969 geborene Mann kompensiert seine mangelnde Inspiration mit Knallfarben und direkt aus der Manga- Welt übernommenen Elementen für seine Gemälde und Skulpturen von Kindern mit überdimensionierten Köpfen. Eine etwas platte Spielzeugwelt für Erwachsene, mit violetten, türkisen, rosa, gelben, blauen, roten Perücken auf netten Kinderköpfen. Während einer auf Video gefilmten Performance verbrennt "M(ister)" ein Bild, dessen Überreste hängen neben dem Monitor mit dem Video im Museum. Thierry Raspail, Direktor des Lyoner Museums zeitgenössischer Kunst (MOCA) sowie der internationalen Kunstbiennale von Lyon, zeigt die drei von Takashi Murakami geförderten jungen Künstler erstmals in Frankreich. Allerdings ohne Murakami selbst.

Der stellt erst im Rahmen der anlässlich der FIAC (Foire Internationale d’art contemporain) Ende Oktober in seiner Pariser Galerie Emmanuel Perrotin aus. (Olga Grimm-Weissert/ DER STANDARD, Printausgabe, 23.10.2006)