Die Große Mauer oder Urlaub am Bauernhof. Das Angebot für barrierefreies Reisen wächst.

Foto: China Tours
Foto: Urlaub am Bauernhof
Behinderte Menschen stehen beim Thema Reisen oft vor dem Problem, passende Angebote zu finden. Immer mehr Reiseveranstalter und Betreiber von Unterkünften erkennen aber die Zeichen der Zeit und reagieren auf die große Nachfrage für barrierefreies Reisen. So bietet beispielsweise China Tours im März 2007 eine zehntägige Tour zu den historischen und kulturellen Highlights in Xi´an, Shanghai und Peking an. Die Besonderheit ist, dass diese Tour in Gebärdensprache stattfindet und während des gesamten Aufenthalts ein Gehörlosendolmetscher die Reisenden begleitet. Außerdem werden Gehörlose in Shanghai und eine Gehörlosenschule in Peking besucht. Mit auf dem Programm stehen die Große Mauer, der Jadebuddha-Tempel und die Terrakotta-Armee.

Die Barrieren werden weniger

Aber auch in Österreich steigt das Angebot für barrierefreies Reisen. Rund zwei Dutzend geprüfter und behindertengerecht ausgestatteter Betriebe in ganz Österreich ermöglichen beispielsweise Urlaub am Bauernhof. Zimmer und Ferienwohnungen sind den speziellen Bedürfnissen von behinderten Menschen angepasst, vielerorts kann auch der Stall oder der Garten problemlos mit dem Rollstuhl erreicht werden. Eine Unfallsicherheitsprüfung durch die Sozialversicherung der Bauern ist ebenfalls Teil des zu erfüllenden Kriterienkataloges.

Die Reiselust wächst

In Europa leben 50 Millionen Menschen (das sind 10% der Bevölkerung), die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Dazu zählen Gehbehinderte, Sehbehinderte, Hörbehinderte und geistig Behinderte, aber auch ältere Personen, kleine Kinder, werdende Mütter, Personen mit schwerem oder unhandlichem Gepäck, Personen mit Kinderwagen, übergewichtige Personen oder Personen mit postoperativen Beeinträchtigungen. Der Begriff der Behinderung ist also ein weiträumiger und der Anspruch an den barrierefreien Tourismus besteht darin, auf die vielen verschiedenen Ansprüche der Reisenden einzugehen.

Von diesen 50 Millionen zählen 35 Millionen Personen zu den potentiellen Kunden der Tourismusbranche. Allein in Österreich gibt es ein Potenzial von etwa 580.000 Reisewilligen mit leichteren oder schwereren Behinderungen. Dazu kommen noch in vielen Fällen die Begleitpersonen. Viele von ihnen würden häufiger verreisen, wenn das Angebot gegeben wäre. Sie wären auch bereit, dafür mehr zu bezahlen. Die Bereitschaft, Betriebe barrierefrei zu gestalten ist allerdings noch immer verhalten, obwohl gerade diese Sparte ein großes Potenzial für die Tourismusbranchen darstellt. Angesichts der demographischen Veränderung unserer Gesellschaft wird barrierefreier Tourismus in Zukunft weiter in den Mittelpunkt rücken.

Was bedeutet barrierefrei

Viele Dinge, die für nicht behinderte Menschen selbstverständlich sind, stellen für Personen mit Beeinträchtigungen erhebliche Probleme dar: Stufen am Hoteleingang, eine schmale Eingangstür, ein enger Gang in dem sich der Rollstuhl nicht wenden lässt, steile Rampen, rutschige Böden, weite Wege, zu niedrige, nicht unterfahrbare Tische und Waschbecken. Tasten, Armaturen, Griffe, Schalter, Schrankinnenräume und Türöffner sind in nicht adaptierten Räumen meist zu hoch montiert, so dass sie vom Rollstuhl aus nicht erreicht werden können. Zugänglichkeit und Ausstattung vom WC- und Sanitärbereich sind weitere wesentliche Punkte. Dazu kommen noch die Probleme, die eine Seh- oder Hörbehinderung mit sich bringen. Ein Telefon, das nicht wahrgenommen wird ist nutzlos, Informationstafeln sind oft zu klein geschrieben oder hängen so hoch, dass Sehbehinderte keinen Zugang zur Information haben. Als Basis für barrierefreies Bauen gilt die ÖNORM B 1603, die die Mindestanforderungen für Bau, Errichtung und Ausstattung von barrierefreien Tourismuseinrichtungen festlegt. Voraussetzung für barrierefreies Reisen ist, dass nicht nur bei Unterkünften sondern auch in der gesamten Ferienregion, bei Transportmitteln und beim Informationsangebot die speziellen Ansprüche der Gäste erfüllt werden.

Transportmöglichkeiten

Bei Reisen mit Bahn oder Flugzeug sollte man sich auf jeden Fall genau informieren, welche Möglichkeiten es gibt. Die ÖBB stellt beispielsweise auf wichtigen Bahnhöfen Hebelifte für Rollstühle zur Verfügung, die spätestens drei Tage vor Reiseantritt angefordert werden müssen (Tel. 05 1717, zum Ortstarif). Ein spezieller Taxiservice der ÖBB, das "Sorglos Taxi" (Tel. 01 1718 bzw. aus Wien nur 1718) holt Reisende direkt vor der Haustüre bzw. am Bahnsteig ab.

Auf den größeren Flughäfen Österreichs gibt es kostenlose Assistenzdienste, die bei Bedarf Hilfmittel wie Hebebühnen oder Rollsessel zur Verfügung stellen. Ein eigener Rollstuhl wird beispielsweise von den Austrian Airlines kostenlos transportiert. In batteriebetriebenen Rollstühlen dürfen nur Gel- oder Trockenbatterien verwendet werden. Auch die Mitnahme von Partnerhunden in der Passagierkabine ist kostenlos. Weiters wird ein Begleitservice von Abflug bis Ankunft zur Verfügung gestellt. Die Art und der Grad der Behinderung muss bereits bei der Buchung bekannt gegeben werden.

Reisevorbereitungen

Ein entscheidender Punkt bei barrierefreiem Reisen sind die Vorbereitungen. Informationsbeschaffung, Reiseentscheidung und Buchung erfordern viel Zeit, da ein Spontanurlaub so gut wie unmöglich ist. Der Informationsbedarf behinderter Reisender ist höher, da sie über Hindernisse und ihre Überwindung genau bescheid wissen müssen, um nicht am Ende mit unangenehmen Überraschungen konfrontiert zu sein. Fehlt der Zugang zu ausführlichen Informationen schränkt dies die Mobilität ein.

Die Informationsbeschaffung für Behinderte ist wesentlich komplizierter, da Reisebüros, Buchhandlungen oder Informationsstellen oft schwer erreichbar sind. Im Internet gibt es mittlerweile viele Plattformen, die speziell auf barrierefreies Reisen eingehen und eine gute Auswahl an Reisebüros bieten bzw. ausführliche Informationen rund um Planung und Durchführung von Reisen bieten. Der Hotelführer "Barrierefrei übernachten in Österreich" vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit beispielsweise beinhaltet eine österreichweite Auflistung behindertengerechter Tourismusbetriebe. (ham)