Wien – "Haben Sie jemals Ihre Arbeit versäumt, um spielen zu können? Haben Sie nach dem Spielen Gewissensbisse?" Wer diese und weitere Fragen auf der Homepage des Vereins Anonyme Spieler mit "Ja" beantwortet, hat vermutlich ein Problem mit seinem Spielverhalten oder ist bereits spielsüchtig.

1,5 Prozent der Österreicher sind krankhafte Spieler

Nach internationalen Studien und Schätzungen von Experten sind 1,5 Prozent der Österreicher krankhafte Spieler, drei Prozent dürften latent gefährdet sein. Umgelegt auf die Wiener Bevölkerung wären damit 28.000 Menschen in der Bundeshauptstadt betroffen, darunter viele Jugendliche. Spielsucht oder das pathologische Glücksspiel ist nach wie vor eine verdrängte Gefahr, kritisieren die Wiener Grünen und fordern daher Sofortmaßnahmen vonseiten der Stadt – die zwar über 40 Millionen Euro Einnahmen aus den Abgaben für die rund 2000 konzessionierten Automaten lukriere, aber keinen Cent in die Therapie der Spieler investiere.

Therapiezentrum

Jedenfalls nicht in die Beratungsstelle und das Therapiezentrum "AS" des Vereins Anonyme Spieler, der einzigen ambulanten Einrichtung in Wien, die seit 1982 auf die Betreuung von Glücksspielabhängigen und ihren Angehörigen spezialisiert ist. Diese wird von den Quellen der Abhängigkeit, den Automatenbetreiber Novomatik/Admiral, den Lotterien und Casinos gesponsert, die – auf freiwilliger Basis – zehn Euro pro Automat an die AS zahlen.

Vorwiegend Männer

Rund 3500 Menschen, vorwiegend Männer, suchten zwischen 2000 und 2005 Hilfe in der Beratungsstelle, 73 Prozent davon wurde das Zocken an Münzautomaten zum ernsthaften Problem. Laut dem AS-Jahresbericht betrug die durchschnittliche Verschuldung der Klienten mit über 55.000 Euro das 38-Fache des durchschnittlichen Monatseinkommens, auch wenn die Zocker aus allen gesellschaftlichen Schichten kommen. "Die Sucht führt zu schweren Störungen, zum Jobverlust bis zum Suizidversuch", schildert Peter Berger, Oberarzt an der Universitätsklinik für Psychiatrie und beratender Psychiater bei AS.

Am Rande der Legalität

40 Prozent der betreuten Menschen haben bereits vor ihrem 18. Lebensjahr zu spielen begonnen, 20 Prozent bekamen schon im jugendlichen Alter Probleme damit. Für die Grüne Sozialsprecherin Heidi Cammerlander ein "trauriger Beleg für einen nicht existenten Jugendschutz". Gemeinsam mit Grünen-Stadtrat David Ellensohn fordert sie das Verbot des "Kleinen Glücksspiels", das abgesehen von Wien nur im Burgenland, in Niederösterreich und Kärnten erlaubt ist – zumal sich die Betreiber mit manipulierten Automaten, die hohe Einsätze und Gewinne erlauben, "am Rande der Legalität" bewegen.

Sollte diese Forderung nicht erfüllt werden, verlangen die Grünen eine Erhöhung der Automatenabgabe von 1400 auf 1600 Euro monatlich. 25 Prozent der städtischen Einnahmen in Höhe von 10 Millionen Euro sollten dann in die Spielsucht-Prävention und -Therapie zurückfließen. (Karin Krichmayr, DER STANDARD Printausgabe 4/5.2006)