Foto: Tomlab/Daniel Peterson

The Blow: "Paper Television" (Tomlab/Soulseduction 2006)

Coverfoto: Tomlab
Beim ersten Anhören zwischen "sehr nett" und "süß" und ähnlichem gependelt und schon in Zweifel geraten, ob solche gut gemeinten Bezeichnungen nicht zu herablassend sind. - Der Zwiespalt hat sich beim zweiten und dritten Mal dann erledigt, weil sich immer mehr herausschälte, wie gut die Platte eigentlich ist.

"Paper Television" kommt aber auch verdammt unauffällig daher - ungefähr so wenig um Aufmerksamkeit heischend wie Khaela Maricichs Nassforsches-Mädchen-Gesang. Und erst mit Zeitverzögerung merkt man, wie sich die Ohrwürmer bereits festgesetzt haben: eine Hookline, ein Refrain, schließlich der ganze Song. Pardon me, but wasn't that your heart? Die Verletzung nimmt man gerne in Kauf.

Es tanzen die Skelette

Jona Bechtolt, die zweite Hälfte des Duos aus Portland, Oregon, unterlegt Khaelas Gesang mit Bassläufen sowie elektronischen Bliep- und Quäktönen, die mit wenig Aufwand enorm viel an Fröhlichkeit produzieren. "Pile of Gold" oder "The Big U" bewegen sich in einem R'n'B-Rhythmus, der nur darauf zu warten scheint, von begnadeten RestlverwerterInnen wie Missy Elliott aufgegriffen (und aufgefettet) zu werden. Gleichzeitig wirken sie so schlicht und handgestrickt, dass sich darin auch Stereo Total-HörerInnen wiederfinden können. Letztere sollten spätestens vom Französelstück "Bonjour Jeune Fille" entzückt sein.

Aus diesem Grundsound heraus wachsen The Blow dann an mehreren Stellen in den blütenweißen Pop hinein: "Parentheses", "Eat Your Heart Up", "Pardon Me" und "Fists Up" sind schnelle, mitreißende kleine Pop-Kunststückchen. Nicht minder eingängig die beiden Male, an denen der Takt verlangsamt wird: Im nostalgisch angehauchten Südsee-Schunkelstück "Babay" und dem traurigen Abschiedslied "True Affection": True affection sinks like a stone. I never felt so close, I never felt so all alone.

Lieblingslabel

An dieser Stelle sei auch mal - Ehre, wem Ehre gebührt - das Label Tomlab allen ausdrücklich ans Herz gelegt. Die Argumente dafür lauten unter anderem: Urlaub in Polen. Casiotone For The Painfully Alone. Final Fantasy. Niobe. The Books. Xiu Xiu. Und Patrick Wolf bekam hier auch seine erste Chance. Origineller Einsatz von Elektronik und deren Neu-Kombination mit älteren Instrumenten ist ein häufig vorkommendes Sound-Merkmal, aber keine Bedingung. Allesamt sind dies jedenfalls KünstlerInnen mit originärem Zugang zur Pop-Musik.

Wobei dieser Zugang im Falle von The Blow schon in der Biografie der Bandmitglieder angelegt ist: Beide sind Performance-KünstlerInnen und haben somit das Überschreiten von Genre-Grenzen zwangsläufig im Blut. Khaela ist außerdem bildende Künstlerin, Jona fungierte unter anderem als Schlagzeuger für Devendra Banhart. Als The Blow haben die beiden mit "Paper Television" bereits das fünfte Album aufgenommen - und so ganz nebenbei eine der charmantesten Veröffentlichungen des Jahres. (Josefson)