Jeweils montags, mittwochs und freitags eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

N. hat sich erfolgreich gegen zuviel Werbung gewehrt – und ein Zettelzusteller bangt nun um seinen Job

Es war gestern. Da hat N. geschrieben. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich ihm glauben schenken soll. Weil bei mir – bisher - noch kein Zettelverteiler angeklopft hat.

N. bezog sich auf die Stadtgeschichte vom Montag. Auf Bitte-keine-Werbung-Pickerln ebenso wie auf überfüllte Briefkästen und voll gehängte Wohnungstürschnallen. Und obwohl er in der Werbung arbeite, schreibt N., habe er volles Verständnis für sich und seinesgleichen – also auch für mich. Und auch wenn er das Argument kenne, dass doch all der Schrott, der seinen Brief- zum Spamkasten macht doch sein Gehalt finanziere, bestehe er darauf, sich dagegen ehren und verwahren zu dürfen.

Weil, schreibt N., dieses Argument logisch zu Ende gedacht auch den Kauf von sinnlosem Wehrflugschrott zwingend notwendig mache. Und der Bau der Autobahnen sei ja bekanntlich auch ein Beispiel für ordentliche Beschäftigungspolitik gewesen, da dürfe man dann ja auch nix dagegen haben, setzt N. nach. Obwohl das, räumt er ein, mit den Werbefoldern in seinem Briefkasten dann doch nur eher peripher zu tun habe.

Eindämmung

In jedem fall, schreibt N. habe er seinen Briefkasten ebenso wie seine Wohnungstür mit allem tapeziert, was das Altpapieraufkommen in und vor seiner Wohnung eindämmen könnte. Und nachdem er damit begonnen hatte und auch erste Erfolge zu sehen gewesen wäre, hätte es im mehr und mehr Nachbarn nachgemacht. Bis ganz zum Schluss nur noch ein oder zwei Wohnungen auf seiner Stiege der Flut schutzlos ausgeliefert gewesen wären.

Das habe, schreibt N, sich insgesamt positiv ausgewirkt: Der Altpapiercontainer seines Hauses sei nicht mehr ganz so schnell voll und kaum mehr übervoll. Es läge also kaum je Papierberge neben dem Container. ES habe dort schon lange niemand mehr gezündelt. Das Weniger an Flugpapier habe außerdem wiederum zu einer geringeren sichtbaren Verdreckung rund um die übrigen Abfallstationen des Hauses beigetragen, was – frei nach der Broken-Window-Theorie – insgesamt dazu beigetragen habe, dass Müll tendenziell weniger oft neben den Mistkübel gelegt würde. Weil es eben nicht eh schon wurscht sei.

Abziehen

All das, schreibt N., habe ihn zuerst ein bisserl froh gemacht. Und dann habe er einfach vergessen, dass es früher anders gewesen sei. Aber nun, vor ein paar Wochen, schreibt N., habe ein Zettelverteiler an seiner Tür geläutet. Und sich beschwert: Sein Job stehe auf dem Spiel. Weil er im ganzen Haus gerade einmal zwei Sackerln losgeworden sei. Und im Nachbarhaus sei das ähnlich – ob N. nicht den Keine-Werbung-Kleber von seiner Tür abziehen könne? Er habe auch schon bei den anderen Nachbarn geläutet.

N. schreibt, er sei nun verunsichert. Wegen der leeren Stiegenhauskilometer des Zustellers zum einen und wegen dessen Angst um seinen ohnehin nicht gerade rosigen Job. ER habe, schreibt N., dem Zusteller vorgeschlagen, sich und ihm einen Weg zu ersparen – und das Werbezeug doch einfach direkt in den Altpapiercontainer zu schmeißen. Aber das, habe der gute Mann geantwortet, gehe halt auch nicht. Nicht wegen der Berufsehre, sondern wegen angeblicher Kontrollen. Was er nun tun solle, fragt N.: Er sei ja prinzipiell zu solidarischem Handeln bereit – aber ganz das Prinzip, sich nicht mit nutzlosem Zeug endlos quälen zu lassen, aus den Augen zu verlieren, wäre dann halt auch nicht das Gelbe vom Ei.