Wie traurig - wenn auch nicht überraschend - ist die Nachricht, dass die Erben von Ferdinand und Adele Bloch-Bauer nun tatsächlich abkassieren wollen, indem sie vier Klimt-Gemälde bei Christie's versteigern lassen. Die Geschichte über Gerechtigkeit und Wiedergutmachung nach dem Holocaust wird so von einer ganz anderen Story überblendet - der von der berauschenden Wirkung des verrückten Kunstmarkts.

Wäre es nicht bemerkenswert gewesen (lassen Sie mich hier ein wenig träumen), wenn sich die Erben stattdessen entschieden hätten, eines oder mehrere der Bilder einer öffentlichen Institution zu stiften? Oder, wenn das nicht zumutbar ist, Verhandlungen über den Privatverkauf mit einem Museum aufzunehmen - mit Preisvorgaben, die unterhalb des vom Auktionshaus geschätzten Erlöses von 15 bis 60 Mio. Dollar angesetzt sind?

Zur Erinnerung: Im April überließ Mrs. Altmann die fünf restituierten Klimt-Gemälde als Leihgabe dem Los Angeles County Museum of Art, mit der Ankündigung, dass sie die Werke wahrscheinlich verkaufen würde. Im Juni erstand der Multimillionär und Sammler Ronald Lauder das frühe Porträt von Adele für 135 Mio. Dollar im Namen der Neuen Galerie, seinem Museum für deutsche und österreichische Kunst an der Upper East Side. Auktionshäuser rissen sich in der Folge darum, die restlichen Gemälde zu verkaufen. Seit Juli waren alle fünf Bilder in Mr. Lauders Museum zu besichtigen, wo sie bis 9. Oktober verblieben.

Es ist natürlich nur zu verständlich, dass die Erben von Adele und Ferdinand Kapital zu schlagen trachten angesichts des boomenden Marktes, wenn auch - in einer besseren Welt - eine mehr altruistische Vorgangsweise denkbar gewesen wäre. Die Bildlegende unter dem Porträt der Adele in Lauders Neuer Galerie wirkt vor diesem Hintergrund jedenfalls ziemlich kurios: "Dieser Ankauf", heißt es da, "wurde teilweise durch die Großzügigkeit der Erben des Nachlasses von Ferdinand und Adele Bloch-Bauer ermöglicht."

Was soll das heißen? Mr. Lauder war großzügig, als er ein Vermögen für die Bilder bezahlte. Eine gewisse Großzügigkeit mag auch den Erben für die Leihgaben an das Los Angeles County Museum of Art und an die Neue Galerie zugestanden werden - wäre da nicht das Faktum, dass die Museen damit eine verkaufsfördernde Öffentlichkeit hergestellt haben, wie das kein Auktionshaus der Welt zu organisieren vermag.

Die Museen haben mit ihrem Prestige den Wert der Sammlung zusätzlich gesteigert, haben sozusagen als Zündholz fungiert, um das Interesse an dem Künstler und an Adele, an den intellektuellen Salons im Wien der Jahrhundertwende und an der Vorstellung von historischer Rechtschaffenheit zu entflammen.

Österreich ...

Im Rückblick wird es einem noch leid tun, dass die Österreicher den Kauf aller fünf Bilder abgelehnt haben, weil ihnen der Preis - in etwa der selbe Betrag, den Mr. Lauder allein für das Adele-Porträt gezahlt hat - zu hoch war.

Zumindest wären dann alle Bilder der Öffentlichkeit zugänglich gewesen, die jahrelang - speziell Mr. Lauders Adele - eine Art Wahrzeichen und Touristenattraktion der Stadt Wien gewesen waren.

Sie könnten nun Wahrzeichen von Los Angeles oder New York oder einer anderen Stadt werden, wo immer ein Museum sie im Namen von Bloch-Bauer ausstellt. Wie weit aber eine öffentliche Institution, egal ob in den Vereinigten Staaten oder im Ausland, bei der Versteigerung von Christie's mitbieten kann, ist eine offene Frage.

... hat Chance verpasst

Unter den Klimt-Bildern erreicht das zweite zauberhafte Adele-Porträt den höchsten Schätzwert. Nur halb so wertvoll geschätzt ist die Waldlandschaft mit Birken - ein wahres Juwel, das für 20 Mio. Dollar ausgerufen wird: ein Paradies, gemalt in einer Mischtechnik aus scharfen Realismus und pointilistischen Punkten, die sich in der Tiefe des Raumes auflösen. Während Picasso sich vor einem Jahrhundert mit der afrikanischen Kunst vertraut gemacht hatte, besuchte Klimt Ravenna und bewunderte die Mosaike. Im "Primitivismus" fand der künstlerische Modernismus seinen Weg in die Zukunft.

Wie erfrischend wäre diese Geschichte, hätten die Bloch-Bauers einen Weg gefunden, der sicherstellt, das die Landschaft mit Birken in öffentliche Hände kommt. Damit hätten sie nicht nur alle Sympathien für den Kampf der Familie um das Erbe gewonnen, sondern auch ewige Dankbarkeit dafür, dass sie die Werke mit der Öffentlichkeit teilen. Sie hätten damit die Rechtschaffenheit ihres Kampfes um Restitution unterstrichen und klar gemacht, dass Kunst selbst in Zeiten des Mammons nicht nur eine Sache des Geldes ist. Im Übrigen hätten sie dabei vielleicht sogar noch einen vorübergehenden Steuernachlass erhalten ... (Michael Kimmnelman/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 11. 2006)