Kurt Obermülner: "Derzeit sind wir damit konfrontiert, dass die Mitglieder den ÖGB 'bestreiken'. Sowohl Mitgliederbefragung als auch Regionalkonferenzen wurden weitestgehend boykottiert - wobei dies sicherlich zu einem großen Teil auf die ungeschickten Designs der Reformprojekte zurückzuführen ist."

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Wien - Nachdem derStandard.at die Berichte der Teilprojektgruppen zur ÖGB-Reform veröffentlicht hat, meldet sich ein Mitglied der Gruppe "Kommunikation" mit scharfer Kritik am Design der ÖGB-Reform zu Wort. Kurt Obermülner, Wiener Landesvorsitzender der Fraktion Christlicher Gewerkschafter in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, der für die FCG an der Reform mitarbeitet, bezeichnet in einer Stellungnahme gegenüber derStandard.at die Zwischenergebnisse des Reformprozesses als "ungenügend".

Zu enger Zeitrahmen

Den zentralen Fehler in der Architektur des Reformprojektes sieht Obermülner in der Vermengung von Krisenmanagement und Reformarbeit. Der enge Zeitrahmen sei zwar für das Krisenmanagement zur Überlebenssicherung angemessen gewesen, für die Erarbeitung einer ÖGB-Reform aber völlig unzureichend und an eine annähernd ernst gemeinte Beteiligung der Mitglieder sei "seriös nicht zu denken".

Mitgliederbefragung unzulänglich

Als "unzulänglich" bezeichnet der FCG-Gewerkschafter auch die Mitgliederbefragung. Diese sei durch die "No-Na-Fragen" und die Nicht-Nachvollziehbarkeit der Teilnehmenden" (Mehrfachteilnahme war durch die zur freien Entnahme aufgelegten Formulare oder über Internet möglich) "unbrauchbar".

Regionalkonferenzen

Obermülner kritisiert auch die mangelhafte Mobilisierung für die Regionalkonferenzen des ÖGB. In Wien hätten bei vier Konferenzen insgesamt nur rund 350 Personen teilgenommen, was "beschämend" sei.

"Derzeit sind wir damit konfrontiert, dass die Mitglieder den ÖGB 'bestreiken'. Sowohl Mitgliederbefragung als auch Regionalkonferenzen wurden weitestgehend boykottiert - wobei dies sicherlich zu einem großen Teil auf die ungeschickten Designs der Reformprojekte zurückzuführen ist", so der Mitarbeiter der Teilprojektgruppe "Kommunikation".

Teilprojektgruppen: "Oberflächliche Alibiaktion"

Scharf kritisiert Obermülner auch die Arbeit der Teilprojektgruppen. Die Sitzungen seien mit bürokratischen Aspekten und "Berichtsberichten" überfrachtet gewesen, wobei "in willkürlicher Form" Expertenwissen eingespeist worden sei. Unter dem engen Zeitkorsett, ohne aufbereitete Daten und mit der extremen Komplexität sei nichts anderes als eine "oberflächliche Alibiaktion zur Legitimation von Einsparungszielen" möglich gewesen.

Kritik an der Führung

Wenn die Führung des ÖGB mit den unterstützenden ExpertInnen derart "unsensibel und inkompetent" mit den Beteiligungsmöglichkeiten der Mitglieder, FunktionärInnen und Beschäftigten umgehe, dann habe die Gewerkschaft neben der Finanzkrise eine enorme inhaltliche und organisatorische Krise vor sich. "Denn dann werden uns in den nächsten Jahren die Mitglieder wegen unserer Unfähigkeit, den ÖGB ernsthaft zu reformieren, scharenweise davon laufen. Dass dies auf Grund der nunmehrigen finanziellen Lage dem ÖGB den Todesstoß versetzen würde, das muss klar gesagt werden", so der Gewerkschafter. (rasch)