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Ein Haufen Briketts

foto:AP/MARKUS SCHREIBER
Beziehungskiste, die: Eher im bundesdeutschen Sprachraum gebräuchlicher Begriff für eine komplizierte Partnerschaft. Für den innenpolitischen Gebrauch neu importiert wurde die Formulierung vom grünen Bundessprecher Alexander Van der Bellen, der überhaupt ein Faible fürs deutsche Idiom haben dürfte. Am 9. November charakterisierte er das SPÖ-ÖVP-Nicht-Verhältnis in der "ZiB 2" nämlich so: "Diese Beziehungskiste, die geht einem doch auf den Keks." Van der Bellen kritisierte damit den von den Boulevardmedien, aber auch von Politikern immer stärker geförderten Trend, politische Auseinandersetzung auf der Sprachebene von Beziehungskonflikten abzuhandeln.

Befindlichkeiten, die: Früher sagte man wohl Gefühle oder Emotionen dazu, aber weil Worte, die auf -keit- oder -heit enden, besser in den Technokratensprech der Politiker passen, wurden sie zu den meistgebrauchten Formulierungen dieser Koalitionsverhandlungen. Sie dienen als Chiffre für die unüberwindbaren, persönlichen Gegensätze der handelnden Protagonisten. Ins Spiel gebracht wurde die Formulierung von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer, der am 13. Oktober, vor der ersten großen Verhandlungsrunde zwischen ÖVP und SPÖ, in Richtung Wolfgang Schüssel ätzte: "Die persönlichen Befindlichkeiten müssen jetzt erledigt sein." Seitdem versucht die ÖVP nicht besonders erfolgreich, die ihr von den Roten nachgesagten Gefühlsduselei wieder abzuschütteln (siehe auch b Schmollwinkel).

Brandstifter, der: In den Augen von ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka ist SPÖ-Finanzsprecher Christoph Matznetter ein solcher, weil er mit dem Banken-U-Ausschuss den Wirtschaftsstandort Österreich gefährde. Als der Vorsitzende der Gastgewerbe-Gewerkschaft, Rudolf Kaske, im Wendejahr 2000 sagte, "unsere Gewerkschaft ist gerüstet. Wenn einmal dieses Arbeitslosenheer marschiert, dann brennt die Republik", war die Empörung aufseiten der Regierung noch groß. Beide werden wohl Max Frischs Standard-Schullektüren-Werk "Biedermann und die Brandstifter" vor Augen gehabt haben, in dem er die feige Mitläuferschaft des Bürgertums während des Nationalsozialismus thematisierte. Passenderweise zur aktuellen politischen Situation handelt es sich um eine Burleske.

Brikett, das: Entstanden aus einer scherzhaften Bezeichnung für den metallenen Mittagsbrotbehälter, den saarländische Bergleute mit sich führten ("geformte Presskohle"). Kam im 19.Jahrhundert als das frz. brique ("Ziegelstein") ins Deutsche. Wolfgang Schüssel führte das Wort am 7. November in die Innenpolitik ein, als er sagte: "Die ÖVP ist kein Brikett, das man auf Heizformat zusammenschrumpfen kann, ohne Kopf und Glieder, nur als Heizwert für den SPÖ-Ofen." Letzteres vielleicht eine Anspielung auf die Hochöfen der Verstaatlichten und die - in den Augen der ÖVP - damit verbundenen "Schuldenpolitik".

Dreschen: Normalerweise sind Politiker ja bekannt dafür, nur Phrasen zu dreschen, in den Koalitionsverhandlungen erfuhr das entsprechende Verb aber eine Wiederaufladung mit seiner ursprünglichen Bedeutung. An sich ist dreschen ein landwirtschaftlicher Arbeitsvorgang, bei dem die Körner aus den Ähren des Getreides bzw. aus den Schoten der Hülsenfrüchte gewonnen werden. Für die agrarnahe ÖVP, die ihre Politik auch schon mal gerne als "Zeit der Ernte" zu verkaufen versuchte, wurde "dreschen" zum Sinnbild für die böse Behandlung durch die SPÖ. "Wir werden uns sicher nicht am Vormittag dreschen lassen und am Nachmittag verhandeln", meinte Wolfgang Schüssel etwa am 5. November (siehe auch b prügeln).

Ehrenerklärung, die: Sie stand auf Wunsch der ÖVP am Anfang der Koalitionsverhandlungen. SPÖ-Klubobmann Josef Cap erklärte am 16. Oktober via Austria Presse Agentur, dass er Alfons Mensdorff-Pouilly, Ehemann von Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) keinen Erhalt einer Provision im Rahmen der Eurofighter-Beschaffung unterstellt hatte. Ehrenerklärungen freuen Anwälte, weil sie Honorare für deren Ausarbeitung verrechnen können.

Geduld, die: Geht auf das urgermanische Verbalabstraktum ga-thuldis zurück und hatte vermutlich die indogermanische Verbwurzel tol bzw. tla (tragen, ertragen). Ertragen muss es derzeit auch jener Mann, der das Wort zuletzt verwendete: Bundespräsident Heinz Fischer. Am 6. November meinte er: "Ein kleines bisschen Geduld soll man noch haben." Das Gegenteil von Geduld ist Ungeduld, eine Regung, die derzeit bei der Bevölkerung zu finden ist.

Gespräche, die: Die Koalitionsverhandlungen brachten eine Ausdifferenzierung des Wortes "Gespräche" mithilfe von vorangestellten Adjektiven. So gab es "konstruktive", "informelle", "bilaterale" G. und zuletzt immer öfter die "Gesprächsverweigerung".

Goldenes Kalb, das: Ein Götzenbild, das die Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten nach Anweisung Aarons schufen, während Moses auf dem Berg Horeb die zehn Gebote diktiert bekam. "Es kann ja nicht sein, dass das ganze Land um die ÖVP herumtanzen muss wie um ein goldenes Kalb", meinte der als Ex-Ministrant bibelfeste SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer am 3. November frech. Das goldene Kalb steht für die Verehrung von Reichtum und Macht.

Gift, das: ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka hatte sich im Wahlkampf von der SPÖ als "Meister der Giftküche, der Hexenmeister der Kunst des Krötenbluts" (© Wiens Bürgermeister Michael Häupl) beschimpfen lassen müssen, inzwischen nimmt er das Wort selber in den Mund. Das von der SPÖ gestellte b "Ultimatum" sei "Gift für ernst gemeinte Gespräche", meinte er am Sonntag.

Prügeln: "Wir werden uns nirgends hineinprügeln und drängen lassen", formulierte ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer am 2. November im Standard-Interview zum Status Quo der Koalitionsverhandlungen. Weiteres Beispiel für die sehr im Ruralen verwurzelte sprachliche Dramatisierungskunst der ÖVP in Krisenzeiten.

Schmollwinkel, der: Normalerweise ein Ort, in den sich kleine Kinder zurückziehen, wenn sie beleidigt sind. Der SPÖ gelang es seit den Wahlen, die ÖVP in dieses Verbaleck zu drängen. Als Erfinder des politischen Schmollwinkels darf der ansonsten nicht gerade für seine Wortgewalt bekannte burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl gelten, der dieses Wort am 6. Oktober in die Welt setzte. Seitdem fühlen sich ÖVP-Politiker allen Ernstes bemüßigt, Dinge zu sagen wie: "Die ÖVP steht sicher nicht im Schmollwinkel. Wir sind nicht die beleidigten Leberwürste." (Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer am 15. Oktober). Allein der Versuch eines Dementis bekräftigte die Niessl'sche Wortschöpfung.

Vertrauensbildende Maßnahmen: Sie werden beispielsweise im Internet-Handel gesetzt. Gütesiegel, Umtauschgarantie, Verbraucherschutzinfos gehören dazu. All das lässt sich in der Politik naturgemäß schwer umsetzen (obwohl eine Umtauschgarantie für Koalitionen ganz spannend wäre). Daher hatten die von der ÖVP propagierten "vertrauensbildenden Maßnahmen" (im Wesentlichen ging es der ÖVP um eine Art Absichtserklärung, dass die SPÖ nichts mit FPÖ und Grünen unternimmt) auch wenig Durchschlagskraft im öffentlichen Diskurs.

Zone, humorfreie, die: Sie stammt aus dem Sprachschatz von Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP), die als ehemalige Kabinettschefin Schüssels viel Erfahrung im Finden von neuen Formulierungen hat. Ausgesprochen wurde sie bei der zweiten großen Verhandlungsrunde, nachdem SPÖ-Klubchef Cap gescherzt hatte. Nach ÖVP-Wunsch hätten die Verhandlungsrunden spaßfrei bleiben sollen. Aber das waren sie letztlich dann ohnehin.

Ultimatum

(lat.), allg. letzte, äußerste Aufforderung; in internat. Beziehungen die Erklärung eines Staates, dass er gegenüber einem anderen endgültig eine best. Forderung erhebt, für deren Erfüllung eine oft sehr kurze Frist setzt und für den Fall der Nichterfüllung best. Nachteile, Gewaltanwendung, im äußersten Fall Kriegshandlungen androht. Da das in den Satzungen der UN verankerte Gewaltverbot auch Drohung mit Gewalt untersagt, ist ein U. mit Gewaltdrohung (außer bei Selbstverteidigung und bei Sanktionen durch die UN) völkerrechtswidrig. Beiden Weltkriegen gingen Ultimaten voraus. Brockhaus

(Barbara Tóth/(DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2006)