Bauen in gebirgigen Extremlagen ist eine Gratwanderung zwischen Logistik und Wirtschaftlichkeit.

Foto: Architekten
Je abgeschiedener ein Objekt ist, desto schwieriger wird das Bauen. Die Idylle einer Berghütte bringt nicht nur einen größeren Planungsaufwand mit sich, sondern auch einen weiten Transportweg. Das macht das Bauen in den Bergen extrem teuer.

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Architekten lieben das Abenteuer. Und das manchmal schon zu Studienzeiten: Die derzeit im Wiener Architekturzentrum gezeigten "9 Projekte für Johannesburg" haben Studenten heimischer und deutscher Universitäten in den dortigen Townships realisiert. Für sie war dieses Baupraktikum eine Erfahrung unter extremen Bedingungen: Sie mussten in einem fremden Land innerhalb einer sehr kurzen Bauzeit und noch dazu mit den vor Ort vorhandenen Materialien ein kommunales Gebäude errichten.

Auf die Planung kommt es an

Aber auch hier zu Lande findet man Baustellen, die mit normalen Maßstäben nicht zu messen sind. Man denke nur an die vielen Almhütten, die in absoluter Abgeschiedenheit liegen und nur zu Fuß, mit der Seilbahn oder dem Hubschrauber erreichbar sind. "Mit dem normalen Baugeschehen ist das nicht zu vergleichen. Das Projekt muss haargenau durchgeplant werden, denn während der Bauphase sind Änderungen nicht möglich", erklärt Fritz Oettl von pos architekten, "wenn plötzlich ein Teil fehlt, dann kann man nicht einfach zum nächsten Baumarkt fahren."

Derartige Erfahrungen hat er vor allem beim Bau einer Berghütte auf dem Hochschwab sammeln können. Das so genannte Schiestlhaus, eine Schutzhütte des Österreichischen Touristenklubs, die in der Arbeitsgemeinschaft solar4alpin (Rezac-Stieldorf-Oettl-Treberspurg) entstand (siehe Bild), sorgte aufgrund ihrer Passivtechnologie für großes Aufsehen. Sie ist eine der wenigen Neubauten in solch luftiger Höhe. "Neubauten gibt es in diesen Höhenlagen kaum", bestätigt Peter Kapelari vom Österreichischen Alpenverein. Meist handle es sich dabei um Sanierungs-, Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen.

Luxusgut Beton

Gemeinsam mit seinem deutschen Pendant unterhält der Österreichische Alpenverein insgesamt 514 Schutzhütten in den österreichischen Bergen. Um diese alpine Infrastruktur zu erhalten, werden jährlich 16,4 Millionen Euro ausgegeben. Baumaßnahmen in diesen Extremlagen sind laut Kapelari um das Zweieinhalbfache teurer als im Flachland. Das Teuerste dabei ist der Massivbau: Bei Betonierarbeiten müsse man die üblichen Preise sogar mit 40 multiplizieren.

Das neue Schiestlhaus ist oberirdisch fast ausschließlich aus Holz konstruiert. Doch beim Keller gab es kein Entkommen, er musste betoniert werden. Kübel für Kübel wurde der gemischte Beton per Hubschrauber nach oben geflogen. Auch sonst wurde der Luftweg zum Transport von Material und Personen oft genutzt - insgesamt flog man die 1500-mal. "Die größte Schwierigkeit ist das Wetter", sagt Christian Wolfert vom Architekturbüro Treberspurg & Partner Architekten. Immer wieder verhinderten entweder Sicht- oder Windverhältnisse bereits geplante Flüge. Auf die Materiallieferungen musste dann eben gewartet werden, die Handwerker stiegen in der Zwischenzeit zu Fuß zu ihrer Arbeitsstätte hinauf. Immerhin ein zweistündiger Marsch.

Kurze Bausaison

Derzeit bauen pos architekten weitere Berghütten - nicht in Österreich, aber in Montenegro. Für einen Nationalpark entwickelte man einen Basistyp, von dem fürs Erste fünf Stück realisiert wurden. In diesem Fall werden die Einzelteile des Skelettbaus im Tal vorbereitet und dann nach oben gebracht. Zwei Hütten stehen bereits im Rohbau. Da im Gebirge nur kurze Bauzeiten möglich sind - meist von Mai bis Oktober - wird mit dem Innenausbau erst im kommenden Frühjahr begonnen. Für die Zwischenzeit sind sie winterfest gemacht.

Doch auch nach Fertigstellung ist eine Berghütte niemals völlig autark. In regelmäßigen Abständen müssen Dinge zu- oder abgeführt werden. Hat man das Abwasser früher einfach im Boden versickern lassen, ist dies aufgrund des Wasserschutzgesetzes in vielen Fällen nicht mehr möglich. Die meisten Objekte des Alpenvereins sind daher mit einer biologischen Abwasseranlage ausgestattet.

In Tirol kommt seit vier Jahren erschwerend das Tiroler Feldschutzgesetz hinzu. Demnach darf der Klärschlamm, der aus solchen Abwasserentsorgungsanlagen stammt, nur im Bereich von Ödland aufgebracht werden. Sobald die Flächen landwirtschaftlich genutzt werden, muss dieser ins Tal abtransportiert werden und dort entsorgt werden. Hubschrauberflüge stehen allein deshalb immer wieder an der Tagesordnung. (Anne Isopp, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25./26.11.2006)