Antonella Mei-Pochtler, Standard-Chefredakteur Gerfried Sperl, Wienerberger-Vorstandschef Wolfgang Reithofer im Wiener Museumsquartier

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Standard-Chefredakteur Gerfried Sperl wird besonders aktiv und impulsiv, wenn er auf Berufspessimisten stößt. In Schlechtwetter-Atmosphären gedeiht für ihn, der immer eine hohe Affinität auch zu den Schwierigkeiten hat, die kreatives Wachstum mit sich bringt, nichts. Anpacken als Lebenselixier.

Auf dieser Basis lud er Antonella Mei-Pochtler, Senior-Partnerin der Boston Consulting Group, 2003 zu Kolumnen im Standard. Daraus ist jetzt auch ein prächtig ausgestattetes Buch geworden, "Acupuncture for Management" (Verlag teNeues).

Am Mittwochabend war der Spannungsbogen des Gespräches gemeinsam mit Wienerberger-General Wolfgang Reithofer solcherart vorgegeben. "Mein Optimismus ging den Leuten damals gewaltig auf die Nerven", so Mei-Pochtler, und: "Mit Berufspessimisten lässt sich die Welt nicht gestalten." Ob denn die immer wieder genannte Kreativität nicht ein Thema der Hochkonjunktur sei, Sparen dagegen Thema der Stagnation, der Dellen, fragt Sperl. "Auch die Suche nach Effizienz erfordert Kreativität. Die Kunst des Managements ist der Umgang mit Widersprüchen und Spannungen", antwortet sie, und Reithofer affirmiert: "Es geht immer um die Kreativität, immer mehr auch im Zugang zur jeweiligen Fragestellung". Diese laute: "Wie machen wir etwas besser?"

Sperl, weiter pointiert: "Wie viele Verrückte verträgt ein Unternehmen?" Mei-Pochtler verlangt von guten Führungskräften, dass sie diesen Andersdenkern Raum geben und ihnen Artenschutz gewähren, auch um Erosionen und Abschleifung entgegen zu wirken. Für Reithofer ist das eine Frage schon der Gesprächskultur: "Wir brauchen Leute, die Widerspruch erheben, ihn formulieren. Es gehe immer um die Balance, sagt Reithofer. So viel auch zu Mei-Pochtlers System der "Tauben und Falken", von denen Erstere wohl in der Überzahl, Zweitere aber zwecks Dynamisierung gebraucht würden.

Ob Mei-Pochtler eine "Stütze für überforderte Manager" sei? Sie lacht und schüttelt sich: "Navigationsunterstützung in der wachsenden Komplexität, Sparringpartner, der aus dem Unternehmen heraus neue Lösungen kristallisiert", bietet sie als Definition der Tätigkeit von Unternehmensberatern an. Und: Den Markt für gute Unternehmensberater sieht sie "ganz stark wachsen".

"Die Menschen müssen denken lernen", formuliert Reithofer seine Ansprüche an ein Bildungssystem. Wie Mei-Pochtler will er bei der Qualität der Lehrer ansetzen, Strukturen der Bildungsarchitektur wären dann zweitrangig. Fachkompetenz stehe zu stark im Zentrum, humanistische Allgemeinbildung werde zu stark zurückgedrängt. "Gut ausgebildete Humanisten sind unsere besten Berater", so Mei-Pochtler. So formuliert sie auch klare Aufträge an Führungskräfte: "Wer die Fähigkeit hat, der hat die Pflicht", sagt sie und bezieht das auch auf beständiges Wachstum, Offenheit - mit allen Sinnen, nicht bloß mechanistisch - etwa beim "Erschnüffeln von Trends". Sich umfassend auseinanderzusetzen, sich dagegen wehren, in engen Bahnen eingefangen zu werden - da sind sich alle drei einig: Darum geht es. (kbau, Der Standard, Printausgabe, 25./26.11.2006)