Guido "Loss afoch rennen" Gluschitsch in seinem Element.

Fotos: Terra X-Dream

"Immer mussta Joe in die Schissdreck fahren!" Zoltan ist unser ungarischer Guide bei der Schissdreck-Tour. "Schissdreck" oder "Schissedreck" nennt er die schlammgefüllten Erdlöcher, seit er ein paar Monate in der Schweiz gearbeitet hat. Passt eh. Warum die Deppen aus Österreich da aber dauernd rein müssen, versteht er gar nicht. Vor allem, wo es in Cered eh so edle Schotterwege und Singletrails gibt. "Na, Joe mussta immer in Schissedreck."

Den Joe und Terra X-Dream kennen wir ja schon vom Lady's Day. Er lud mich nach Ungarn ein, um eine Endurostrecke für seine "Szia Tour" zu testen, die er nächstes Jahr in sein Tourprogramm aufnehmen will. Wie gut ich fahre weiß er eh, denke ich, und sage zu.

In Ungarn angekommen, steht die Meute im Gastzimmer der Pension und plaudert über die letzten Rennen oder das Scheitern beim Hare Scrumble am Erzberg. Na super. Da bin ich in eine Partie geraten. Der verschwiegene Kerl neben mir stellt sich dann zu guter Letzt noch als Dr. Redlway vor. Trialgott, Stirnfransenstaatsmeister und nebenberuflicher Fahrschullehrer. Einer von denen, der anderen Lehrmeistern das Fürchten lehrt, wenn er den Slalom so langsam fährt, dass er hinter sich die anderen Eisen aufschlagen hört. Da bin ich goldrichtig.

Am ersten Tag in der Früh werden erst einmal die Motorradln entladen. Jede Menge Yamahas, eine Gas Gas und eine KTM. Mir schanzt der Joe eine WR 250 zu. Eigentlich hab ich mich auf die WR 450 2Trac gefreut, aber die blieb daheim. Besser so, wie ich draufkommen sollte, weil die 450er wird mir echt zu viel sein. Und ein bisserl nervös bin ich eh so auch, als wir beim Wirten ausfahren. Nach keinen 200 Metern am Asphalt biegen wir ab und sind am Schotter. Keine Minute später stehen wir das erste Mal vor einer riesigen Lacke Schissedreck.

So schnell kann ich gar nicht schauen, wie der Joe dort durchfräst. Der Dreck steigt auf, dass die Hälfte genug wäre. Und eine saubere Spur zieht sich durch den Schlamm. Einer nach dem anderen pflügt durch den Schissdreck. Nur einer hat Schiss. Genau. Der Glu. Dr. Redlway fasst sich ein Herz und redet mir fürsorglich zu: "Wos is mit dir, Schreiberling? Bist eigeschlofn?"

Ich such mir die Stelle, wo die Schissdrecküberquerung am wenigsten Weg braucht. Gas auf 1 stellen, gleichzeitig Kupplung kommen lassen, mit dem Vorderrad auf das rettende andere Ufer zielen, Augen schließen und ... ... ... Geschafft. Ich steh zwar nicht oben auf der Straße, wo ich hingehöre, aber ich lieg auch nicht im Schlamm. (Hoffentlich auch nicht am anderen Ufer, wär ewig schad um dich. Anm. d. Frau Lektorin.)

Eine kleine Auffahrt hab ich noch vor mir, an der Stelle, wo die Yamse mit mir stehen blieb. Joe brüllt hinter mir "Gas, Gas!", aber das hör ich gar nicht. Ich frage mich, warum die WR 250 so freundlich war, immer unter mir zu bleiben, und nehme die Auffahrt in Angriff. Oben fertig angenudelt stell ich einmal das Motorrad ab und checke meinen Puls. Fast 200 Schläge pro Minute. Nach gerade einmal zwei Minuten Enduro fahren.

>>>Host kane Bremsen?

Martin, der wohl Dreckverliebteste in der Gruppe, und seine Yamaha haben aber noch nicht genug. MuddyMartin versucht es bei der breitesten Schissdreck- Möglichkeit noch einmal. Und er kommt auch fast auf der anderen Seite wieder raus. Aber eben nur fast.

Beim Versuch, neuerlich anzufahren, gräbt er die Yamse so ein, dass vier Mann über eine halbe Stunde brauchen, um das Motorrad wieder aus dem Morast zu ziehen. Ich freu mich über die Pause und bringe den Puls wieder auf Normalniveau. (Deutet der Puls auf Kollaps hin, rette ihn mit Nikotin. Südsteirische Bauernregel. Anm. d. Frau Lektorin.)

Ein paar Kilometer Singletrail später kann Joe seine MacGyver-Qualitäten ausleben. Martin hat im Schissdreck nämlich irgendein Trumm verloren. Joe montiert mitten im Wald den Tank vom Motorrad und macht das Motorrad irgendwie wieder fahrbereit. Keine Ahnung wie, weil das fehlende Teil hatte er gar nicht mit. Aber das Motorrad hielt alle drei Tage durch.

Weitere Höhepunkte des Vormittags sind die Auffahrten. Unendlich steil, dafür aber ewig lang. "Geh, das ist gar nichts" meint Dr. Redlway. "Gaaaaas!" schreit der Joe. "Alle Selbstmörder?" fragt Zoltan.

Die erste Auffahrt führt durch den Wald. Nach den ersten zwei Metern verreckt mir die Reiben. Die Buben pressen den Riegel rauf, Dritte ausgedreht, das Hinterradl hupfert wie Rumpelstilzchen. Ich probier es noch einmal. Dr. Redlway: "Hammas dann bald?" Ich würg im zweiten Gang fast auf Standgas den Berg hinauf und freu mich oben wie ein kleines Kind, während die Verrückten schon wieder runter bröseln, um ein weiteres Mal ihr sinnloses Leben zu riskieren. Ich rauche oben eine. (Sag ich es nicht? Ich kenn dich doch. Anm. d. Frau Lektorin)

Die zweite Auffahrt eine halbe Stunde später ist dann schon ganz anders beschaffen. Steiler im Einstieg, dafür viel länger. Na bravo. Mein erster Versuch scheitert im steilsten Stück. Ich kämpf mich wieder nach unten und komme dort auch lebend an. Joe assistiert mit den Worten "Loss afoch rennen." Dr. Redlway unten: "Heast, host kane Bremsen? Kannst net afoch rennen lossen."

Der zweite Versuch: Zweiter Gang, Volllast, Schub, Gas, kämpfen, nicht abwerfen lassen, drauf bleiben am Bock, drauf bleiben am Gas. Geschafft. Oben seh ich: da oben ist ja gar nix. Nicht einmal ein Gipfelkreuz. Ich frage, wo es weitergeht. Joe zeigt dorthin, von wo ich grad komme und meint: "Dort unten rechts..." "Sehr super, Joe, was tu ich dann da oben?" "Runterfahren, Schreiberling! Gemma, und wennst es da jetzt rennen lasst, bist Staub!"

Fortsetzung folgt...

(Text: Guido Gluschitsch, Fotos: Terra X-Dream, derStandard.at, 6.12.2006)