Foto: Verlag
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Wie kommt es eigentlich, dass einer ganzen Branche genuine Bösartigkeit nachgesagt wird? Im Falle der Models ist es hinterfotzig Stutenzickigkeit, im Falle der Designer kapriziöser Größenwahn. Wahrscheinlich, weil der Mythos einer oberflächlichenverliebten Modeindustrie es so will. Oder weil es Bücher wie Fashion Babylon gibt (Bantam Press, €17,50).

Der von der Londonerin Imogen Edwards-Jones und einem anonymen Co-Autor verfasste Schlüsselroman beschreibt das Leben einer englischen Modedesignerin zwischen der Präsentation der diesjährigen Frühjahrs- und jener der jetzigen Herbstkollektion. Mit allem, was da eben dazuzugehören scheint: tuntigen Kerlen, verschnittenem Kokain und dem Stop jeglicher Kalorienzufuhr. Ein Buch also über den Modezirkus, wie man es seit "Der Teufel trägt Prada" hinlänglich kennt? Nicht wirklich.

Die g'schmackigen Details sind gewissermaßen nur die Accessoires, der wirkliche Focus liegt auf der Beschreibung eines Systems, das eigenen Gesetzmäßigkeiten gehorcht. Und diesbezüglich kann man einiges lernen: über wichtige Player, riesige Margen oder warum es so wichtig ist, ein eigenes Parfum auf dem Markt zu haben. Ja, und natürlich auch, warum Kate Moss in der Umkleide vor ihrem ersten Catwalk einen ziemlich peinlichen Auftritt hatte.

Peinlichkeiten inszeniert der in Dänemark geborene Fotograf Marc Hom nicht: Er ist auf die Glitzerseiten des Business abonniert. Porträts nennt der vor allem als Modefotograf bekannte Hom seinen Promiband ganz schlicht (teNeues, € 77,10), eine Auswahl der eigenen Fotografien aus den vergangenen zwölf Jahren. Von Dior-Homme Designer Hedi Slimane bis Donald und Melanie Trump sind sie alle dabei. Manche in Aufnahmen, wie man sie auch von anderswo kennt (Iggy Pop zum Beispiel), andere in Aufmachungen, die man nicht erwartet hätte (Kronprinz Frederik von Dänemark mit Sombrero etwa).

Hommage an Tellers Heimat

Am anderen Ende der (Mode)Fotografie steht Juergen Teller, der seine Privatobsessionen schon länger mit den Erfordernissen der Modeindustrie kurz schließt. Wahrscheinlich wird er gerade wegen dieser Kompromisslosigkeit geschätzt, zu bewundern derzeit etwa in seinen YSL- und Marc Jacobs-Kampagnen. Wo diese Authentizitäts-Ästhetik ihren Ausgang genommen hat, das zeigt dieser Band: Nürnberg (Steidl Verlag, € 77,10) heißt er, und er ist eine neuerliche Hommage an Tellers Heimat. Bubenreuth, seiner Heimatstadt, hat er ja des Öfteren schon Denkmäler gesetzt, jetzt sind die dürren Blümlein Nürnbergs dran. Und das ist durchaus wörtlich gemeint. Sie wachsen aus Mauerritzen und schlängeln sich über Steinstiegen. Dazwischen gibt es Aufnahmen von Teller. Wahlweise mit Baby oder mit ausgestopftem Bambi.

Kompromisslos wird man auch die Protagonisten der folgenden zwei Modebände bezeichnen dürfen. Wally Salner und Johannes Schweiger haben zusammen mit Freunden ein Protocol der vergangenen Schaffensjahre erstellt (Vice Versa, € 28). Fabrics Interseason heißt ihr in Wien nicht ganz unbekanntes Label, das sich durch seinen radikalen, Mode, Musik, Kunst und Theorie vernetzenden Zugang auszeichnet. Samt tollen Aufnahmen von Maria Ziegelböck und Bettina Komenda und spannenden Texten von Tanja Widmann oder Standard-Autorin Christa Benzer.

Kollaboratives Modeexperiment

Brüder bzw. Schwestern im Geiste sind das Berliner / Pariser Mode- und Kunstduo Bless. Dahinter stecken Desirée Heiss und Ines Kaag, die mit Bless. Celebrating 10 Years of Themelessness N° 00 - N° 29 (Sternberg Press, € 45) das runde Jubiläum ihres, tja, wie soll man sagen, "kollaborativen Modeexperiments" begehen. Die obigen Nummern beziehen sich nämlich auf ihre "Kollektionen", sprich die vierteljährliche Neuerfindung bereits existierender Objekte. Das sind dann etwa Pelzpe- rücken für Martin Margiela oder "verstellbare" Turnschuhe für Jean Colonna. Sie alle werden in diesem Illustrationsbuch dokumentiert.

Ein kurzer Hinweis noch auf das Bändchen Guy Bourdin von Alison M. Gingeras (Phaidon € 25,70), eine bildreiche Einführung in das Werk des Ausnahmefotografen Guy Bourdin, der in den 70er und 80ern mit seinen dunklen Fantasien die Modefotografie auf eine neue Ebene hob. Der schöne Schein zeigte seine Abgründe - ohne dass er dadurch weniger glitzerte. (Stephan Hilpold/Der Standard/Rondo/07/12/2006)