Geschlechterpolitik
Menschenunwürdige Behandlung gegenüber SchwarzafrikanerInnen
Erster Verhandlungstag im Beschwerdeverfahren gegen Exekutivbeamte
St. Pölten - Vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für Niederösterreich (UVS) in St. Pölten war am Montag der erste
Verhandlungstag (Vorsitz: Paul Marzi) im Zusammenhang mit der Maßnahmenbeschwerde von 34 AsylwerberInnen wegen behaupteter
Übergriffe der Exekutive im Zuge einer Razzia im Flüchtlingslager Traiskirchen im Jänner dieses Jahres angesetzt. Der polizeilichen
Überprüfung lag die Aufdeckung eines Suchtgiftringes zu Grunde.
Geladen waren zunächst sechs Schwarzafrikanerinnen, drei Beamte und ein Experte des Innenministeriums. Fünf Frauen waren erschienen.
Vierstündige Untersuchung
Anna A. (22) gab an, über die Kontrolle nicht informiert gewesen zu sein. Insgesamt sei die mehr als vierstündige Amtshandlung, deren Grund
sie nicht erfahren habe, erniedrigend gewesen. Sie habe sich an jenem Abend mit drei weiteren Frauen und ebenso vielen Männern in ihrem
Zimmer aufgehalten, als die Türe geöffnet wurde und drei Beamte in Uniform, darunter eine Frau, eintraten.
Einer sei - mit einem Gewehr in der Hand - am Eingang stehen geblieben. Die Männer mussten den Raum verlassen und seien gefesselt
worden. Die Zurückbleibenden seien gezwungen worden, auf ihren Plätzen zu bleiben. Eine Frau durfte in Begleitung der Beamtin auf die
Toilette, Anna A. nach ihren Angaben nicht. Deshalb habe sie später eine Mineralwasser-Kunststoffflasche aufgeschnitten, um ihre Notdurft
zu verrichten.
Die Zeugin sagte weiter aus, gegen ihren Willen fotografiert worden zu sein. Sie musste die Schuhe und die Bluse ausziehen, dann wurde sie -
bekleidet mit Unterhemd und Hose - am Körper abgetastet. Eine Vaginaluntersuchung habe nicht stattgefunden. Anna A. hat nach ihrer
Aussage gemeinsam mit weiteren Betroffenen am nächsten Tag einer Vertrauensperson vom evangelischen Flüchtlingsdienst den Vorfall
berichtet.
Als Sachverständiger gab ein Major des Innenministeriums Auskunft über das Vorgehen im Zusammenhang mit Suchtgiftverkäufen in
Österreich. Demnach liegen seit 1991 Hinweise auf (über WestafrikanerInnen organisierten) so genannten "Ameisenhandel" - Straßenverkäufe in
kleinen Mengen - vor.
Operation "Spring"
Seit November 1998 liefen gezielte verdeckte Operationen wie etwa "Spring" und "Streetrunner" im Jänner diese Jahres in Traiskirchen. Der
Major erläuterte auch die im Zuge der Ermittlungen bekannt gewordene Vorgangsweise der Straßenhändler, die Drogen in "balls" im Mund
bzw. auch im Genitalbereich zu verstecken. Wenn auf Grund der Verdachtslage Genitaluntersuchungen notwendig sind, erfolgen diese durch
den zuständigen Amtsarzt bzw. Vertragsärzte der Gendarmerie.
Oberstleutnant Franz Polzer von der Kriminalabteilung Niederösterreich als Vertreter der belangten Behörde wies in seiner Aussage darauf hin,
dass Letztverteiler seien oft aus Westafrika stammende Flüchtlinge mit Existenzproblemen seien. Die geladenen Beschwerdeführerinnen hatten aber mit dem
Drogenhandel nichts zu tun.
Beamte sprachen von korrekter Vorgangsweise
Andere Beamten sprachen davon, völlig korrekt vorgegangen zu sein. Sie hatten keine
Langwaffen bei sich, wie von der Zeugin behauptet. Alle Frauen hätten die Toilette benutzen dürfen, was sie auch oft getan hätten. Die
Leibesvisitation hat die weibliche Beamtin vorgenommen.
Der UVS NÖ setzt sich in diesem Fall mit der Maßnahmenbeschwerde hinsichtlich möglicher menschenunwürdiger Behandlung der
Überprüften auseinander, wobei weitere Verhandlungstage folgen werden. Die Richtlinienbeschwerde liegt laut Marzi bei der Dienstbehörde.
(APA)