ORF-Chefin Monika Lindner hat gegen STANDARD-Medienredakteur Harald Fidler sowie derStandard.at Klage eingebracht. Grund dafür ist die Veröffentlichung des Bewerbungskonzeptes Lindners vor der ORF-Wahl im vergangenen Sommer. Fidler hatte Lindners Strategiekonzept - neben dem der übrigen Bewerber - auf derStandard.at/Etat im Volltext bereitgestellt. Lindner, die bei der Generaldirektorenwahl unterlegen war und zum Jahreswechsel für Alexander Wrabetz Platz machen muss, klagte wegen Verletzung ihrer Urheberrechte.

Voruntersuchung gegen Fidler

Es handle sich bei der Bewerbung um ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk. Die Verwertung dieses Werks der Literatur sei gesetzwidrig erfolgt, so die Argumentation der Lindner-Rechtsvertreter. Das Landesgericht für Strafsachen in Wien hat inzwischen die Voruntersuchung gegen Fidler eingeleitet. Im Falle einer Verurteilung könnte Fidler mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder mit einer entsprechenden Geldstrafe bedacht werden. Fidler zeichnete sich in den vergangenen Jahren immer wieder durch kritische ORF-Berichte und kritische mediale Begleitung der Amtsperiode Lindners aus. ORF-Kenner vermuten eine "Retourkutsche" der Generaldirektorin.

Anwältin: "Zensurwirkung"

Unbehagen über die Vorgangsweise der ORF-Generaldirektorin äußerte denn auch STANDARD-Anwältin Maria Windhager. Vor allem der Umstand, dass Lindner gegen Fidler nicht bloß zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich vorgeht, sorgt bei Windhager für Befremden. "Es ist in der herrschenden Rechtslehre völlig unbestritten, dass strafrechtliche Sanktion für Eingriffe in das Recht der öffentlichen Wiedergabe nicht mehr zeitgemäß ist." Laut Windhager sei es "besonders problematisch jemanden persönlich zu verfolgen". Hier entstehe eine "Zensurwirkung". Die Generaldirektorin sei da "nicht gut beraten - das wirft kein gutes Licht auf sie." Zur Veröffentlichung selbst meinte die STANDARD-Anwältin, dass eine solche ob des "enormen öffentlichen Interesses" gerechtfertigt gewesen sei. "Was hat sie denn zu verstecken", so Windhager in Richtung Lindner. "Die ganze Klage ist absurd. Es geht offenbar um persönliche Verfolgung und Feindschaft."

"Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt"

Anders sieht dies Rainer Fischer-See, Leiter der ORF-Rechtsabteilung. Eine "Zensurwirkung" kann er nicht erkennen. Eine Bewerbung um den Posten des ORF-Generaldirektors sei "sicher nicht für die Öffentlichkeit bestimmt", sondern für die Entscheidungsträger, also den Stiftungsrat. Hier müsse jedenfalls Vertraulichkeit gelten. Um den Sachverhalt zu klären, "wurden die von der Rechtsordnung gebotenen Möglichkeiten in Anspruch genommen. Man muss das emotionslos sehen und die Gerichte entscheiden lassen, was zulässig ist." Lindner selbst wollte das anhängige Verfahren nicht kommentieren.

Lindner mit einstweiliger Verfügung abgeblitzt

Mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung ist Lindner vor dem Handelsgericht Wien in der Causa vorerst abgeblitzt. Lindners Konzept wurde zwar als urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk qualifiziert, habe aber selbst "keinen wirtschaftlichen Wert" und diene ausschließlich der Bewerbung für die Funktion des Generaldirektors. Eine solche Bewerbung setze den Bewerber natürlich in ein "vorteilhaftes Licht", aus einer Veröffentlichung können deshalb keine Nachteile entstehen, Lindner sei im Ansehen nicht geschadet worden.

"Notwendige Informationspflicht"

Die Meinungs- und Informationsfreiheit im Sinne der Menschenrechtskonvention gehe dem Urheberrecht dann vor, "wenn eine Abwägung der Interessen ergibt, dass schützenswerte Belange des Urheberrechtsinhabers nicht gefährdet sind und überragende Interessen der Allgemeinheit an einer Veröffentlichung vorliegen", so das Handelsgericht. Im Falle ORF sei dies der Fall. "Der ORF hat einen verfassungsgesetzlich normierten öffentlichen Informationsauftrag" und es bestehe ein "überwiegendes öffentliches Interesse" an den Bewerbern für die ORF-Spitze. Die Medien erfüllten dabei "in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige Informationspflicht". Auch wenn die Bürger nicht selbst stimmberechtigt seien, so entspreche es laut Handelsgericht "doch dem Demokratieverständnis, dass die Bürger über die Kandidaten des Mediums mit öffentlichem Informationsauftrag informiert sind".

Problematischer Umgang mit Journalisten

Der Leiter der ORF-Rechtsabteilung rechnet jedenfalls damit, dass die Causa in den nächsten Instanzen für Lindner entschieden werde. "Die entscheidende Rechtsfrage, nämlich dass es sich um ein geschütztes Werk im Sinne des Urheberrechts handelt, ist vom Handelsgericht im Sinne Lindners entschieden worden", so Fischer-See.

Neben Fidler und dem STANDARD hatten übrigens zahlreiche andere Medien ausführlich über die Strategiekonzepte aller Bewerber bei der Generaldirektorenwahl berichtet. Lindners Umgang mit Journalisten galt in den vergangenen fünf Jahren ihrer Amtszeit als problematisch. Journalistenfragen rund um Stiftungsrats- oder Publikumsratssitzungen wich sie konsequent aus, Interviews gab sie nur in seltenen Fällen, in der Regel kamen dabei genehme Medien beziehungsweise Nicht-Medienjournalisten zum Zug. (APA)