Hermann Schützenhöfer, steirischer ÖVP-Chef

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STANDARD: Es muss für Sie doch eine Genugtuung sein, dass nun die SPÖ ihre jahrelange Forderung nach einem Mindestlohn aufgreift und umsetzen will. Oder schmerzt’s ?

Schützenhöfer: Natürlich, es erfüllt mich einerseits mit Freude, andererseits hat halt die ÖVP die Chance lange vertan. Es schmerzt mich in der Seele, dass nun getitelt werden kann: SPÖ verlangt Mindestlohn, etwas, das ich schon 1984 gefordert habe. Es ist für die ÖVP ungenügend, dass wir soziale Wärme ganz offensichtlich nicht signalisieren.

STANDARD: Wäre es da nicht folgerichtig, wenn Sie auch den Vorstoß der SPÖ für einen Solidarbeitrag von Beziehern hoher Pensionen unterstützen?

Schützenhöfer: Wie es jetzt eingebracht wird, ist das kontraproduktiv. Grundsätzlich habe ich ja selbst mehrfach schon einen Solidarbeitrag verlangt. Von jenen, die mehr als 70.000 Euro netto im Jahr verdienen. Ich bin schon der Meinung, dass von jenen, die sehr viel mehr verdienen als der Schnitt, ein erklärbares Solidaropfer abverlangt werden kann.

STANDARD: Sie sind im Gegensatz zu ihrer Partei also grundsätzlich für Solidarbeiträge?

Schützenhöfer: Ja, aber anders gestaltet und nicht als Klassenkampf angelegt.

STANDARD: Zum Bild der ÖVP gehört auch ein Karl-Heinz Grasser, der den Neoliberalismus verkörpert und der jetzt sogar als Vizekanzler und ÖVP-Chef ins Spiel gebracht wird. Das Bild der ÖVP als sozial warme Partei ist da eher unterbelichtet

Schützenhöfer: Das ist der Punkt und das tut mir wirklich weh. Wir kommen beim Lebensgefühl der Menschen nicht an. Die inhaltliche Positionierung muss mehr beim Lebensgefühl der Menschen sein. Ich hab nichts davon, wenn ich sage: Staat saniert, Wahl verloren, rechnerisch alles richtig, aber bei den Menschen nicht angekommen. Wir müssen in sozialen Grundfragen Flagge zeigen. Auch in der Bildung: Mich nervt das. Wenn ich weiß, dass alle unsere Töchter nie und nimmer daheim bleiben, sondern arbeiten wollen, dann muss ich die Krabbelstuben, Kindergärten und Schulen anders organisieren und keine heillosen, endlosen Debatten führen, ob das unserer Ideologie entspricht oder nicht.

STANDARD: Bei der Begleitmusik in ÖVP und SPÖ zu den Regierungsverhandlungen stellt sich schon die Frage, ob es wirklich Sinn macht Eheunwillige in eine Partnerschaft zu zwingen.

Schützenhöfer: Bei einigen habe ich das Gefühl, dass sie es tatsächlich nicht ernst meinen. Ich habe Wolfgang Schüssel immer gesagt, zum Schluss muss sich die ÖVP in den Spiegel schauen und sich wiederfinden. Sonst bin ich nicht dabei: in einer Koalition, in der wir nur die „Traditionsministerien“ haben. Und es braucht in der ÖVP auch personelle Signale. Wir müssen die Unbequemen wieder hereinholen. Es wird der SPÖ etwas kosten müssen, dass sie den Kanzler stellen kann. Daher muss die ÖVP mutig hinein marschieren und das Frauenministerium, Sozialministerium, Bildungsministerium verlangen.

STANDARD: Geht die ÖVP wieder mit Wolfgang Schüssel in die neue Regierung oder gegebenefalls in Neuwahlen?

Schützenhöfer: Zu all den Fragen sag’ ich nichts. Ich bin froh, dass er die Verhandlungen führt, alles was danach kommt, muss so oder so rasch entschieden werden.

STANDARD: Auf wen kann die ÖVP sicher nicht verzichten im neuen Regierungsteam?

Schützenhöfer: Ich kenne niemanden, der auf Dauer unverzichtbar wäre. Jeder ist infrage gestellt. Einige werden wieder dabei sein.

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Zur Person Hermann Schützenhöfer (54), Landeshauptmannvize der Steiermark, übernahm 2005 die Landes-ÖVP. Schützenhöfer meldet sich parteiintern oft als „soziales Gewissen“. Aktuell sitzt er im Regierungsverhandlungsteam. (Walter Müller/DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2006)