Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/Schlager
Wien - Im ersten Augenblick mag die Idee, die Zauberflöte in einen klassischen asiatischen Tanz zu übersetzen, ja etwas naiv erscheinen. Doch die Art, wie die kambodschanische Choreografin Sophiline Cheam Shapiro diese Aufgabe mit ihrem Stück Pamina Devi löst, macht das Ansinnen schlüssig. Im Schönbrunner Schlosstheater ist damit noch bis zum 13. Dezember ein kleiner Höhepunkt von New Crowned Hope zu sehen.

Dem touristisch geprägten Auge erscheint der thailändische Khon-Tanz geläufiger als der kambodschanische Apsara, der seine erste große Blüte ab dem 8. Jahrhundert nach Christus in Angkor erlebte. Doch der Khon ist nur ein Derivat des Apsara, der sich aus Volkstänzen zu einem hoch elitären Hof- und Tempeltanz entwickelte. Sein Vokabular besteht aus an die 3500 gestischen "Begriffen", die beinahe ausschließlich von Frauen getanzt werden.

Charakteristisch sind dabei hochelaborierte Arm- und Handgesten, geknickte Beinhaltungen und eine gemessen eingesetzte Mimik. Dynamische Elemente, weite Sprünge oder spektakuläre Hebungen wie das europäische Ballett kennt der Apsara nicht.

Dieser ist, ähnlich dem Ballett, ein geschlossenes formales Konzept, in dem sich mehrere Spielarten entwickelt haben - die bei Pamina Devi verwendete heißt "Robam Kbach Boraan". Doch die Geometrie des Apsara ist wesentlich strenger und verdichteter als die des um beinahe tausend Jahre jüngeren westlichen Spitzentanzes. Wie klug Sopiline Cheam Shapiro den pseudomythologischen Stoff in eine mythologische Apsara-Erzählung überträgt, ist das eigentliche Abenteuer dieses Stücks. Die Choreografin verschweißt ihre Tänzerinnen nicht in ein klassisches Stückrepertoire, sondern erprobt die Möglichkeiten des Robam Kbach Boraan auch in Stücken von hochaktuellem Inhalt - etwa in Seasons of Migration, einem Werk über das Auswandern, die Entfremdung und das Verfolgtwerden von einem Schatten des Zwangs und der Verlorenheit.

Auf tanztechnische Innovationen, wie sie im Ballett praktiziert wird, verzichtet Shapiro. Eine Strategie, die nur deswegen glückt, weil das "Andere" der Form innerhalb der gegenwartsbezogenen Thematisierung die Letztere doppelt unterstreicht. So bietet die Künstlerin der von dem Philosophen Paul K. Feyerabend (1924-1994) drastisch konstatierten "Vernichtung der Vielfalt" erfolgreich die Stirn. Ihre Tänzerinnen sind Aliens in der Welt der zeitgenössischen Choreografie. Und das macht sie gewissermaßen zu Avantgardistinnen auf diesem Feld. (Helmut Ploebst /DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2006)