Bruckmayr: "A Little Warning From The Pimps" (Monkey/Universal)

Foto: Monkey/Universal

Einer der wenigen, über die Jahre integer wie künstlerisch aufregend gebliebenen Player der heimischen Musikszene hat, nach fast 20 Jahren im Geschäft, jetzt ein erstes Soloalbum veröffentlicht: Didi Bruckmayr, Doktor der Handelswissenschaften, Extremperfomer, Gelegenheitsschauspieler (unter anderem auch schon in einer Gilgamesch-Bearbeitung an der Wiener Burg), Ganzkörpertattooträger, Boxer und vor allem einer der außergewöhnlichsten und souveränsten Sänger, die dieses Land je gehört hat.

Angefangen hat alles Ende der 80er-Jahre mit den düsteren, im Zeichen britischer Postpunkbands wie Joy Division, Killing Joke oder Bauhaus stehenden Dead Souls daheim in Linz. Die gingen später in Bruckmayrs bis heute wesentlichste Band über. Mit den wechselnden Besetzungen der atemberaubenden und Genregrenzen zerfräsenden Industrial-, Performance-, Elektronik-, Noise-, Metal- und Splatterband Fuckhead versuchte Bruckmayr spätestens ab 1992 mit dem Debütalbum Ignorance, ausgehend von sinistren und repetitiven Rockstrukturen hin zum bisherigen künstlerischen Höhepunkt, dem 1998 erschienenen und auch international beachteten Fuckhead-Album The Male Comedy, bezüglich der Liveinszenierungen dem Wahnsinn einen Chance zu geben. Immer an der Grenzlinie zum gerade noch für alle Beteiligten Erträglichen. Das führte dank körperlicher Belastungsstudien, die auch mit schmerzhaften Dingen wie Metallhaken zu tun hatten, schon einmal in die Notaufnahme.

Viel wesentlicher aber: Beinahe als einzige Band des Landes machen sich Bruckmayr und Kollegen bis heute nicht nur ernsthafte Gedanken darüber, dass Musiker auf der Bühne nicht unbedingt aussehen sollten wie ihre eigenen Roadies. Ein Liveauftritt muss immer auch entsprechend choreographiert werden, seine Wirkungsmöglichkeiten sollten mitbedacht werden. Die verstörende Performancekunst führte Fuckhead schließlich auf Gastspielreisen bis nach Japan und Australien. Sie gastierten beim von Scott Walker kuratierten Meltdown-Festival in London (und wurden von Scott Walker auch auf dessen neuem Album The Gift gesampelt), während sich Bruckmayr in den Zeiten ohne musikalische Engagements bis heute zu Hause in Linz mit Hilfsarbeiterjobs oder als VJ bei Clubbings durchschlagen muss.

Nebenher leistet sich Didi Bruckmayr mit Wipeout eine Zweitband. Gemeinsam mit dem Linzer Urgestein Fadi Dorninger gibt Bruckmayr, so wie auch bei Fuckhead, zwar den grimmigen Eisenvater. Komödiantisch mitunter bis ins Groteske gebrochen wird Bruckmayrs martialisches Auftreten wie auch seine sonore, durchaus an Scott Walker erinnernde Poptragödenstimme durch feixende, kunstschwul kieksende und fistelnde Disco-Paraphrasen im Stile Giorgio Moroders und melancholische Electro-Balladen. Dokumentiert auf Alben wie Anthems For The Underachievers (2002) oder Black Light District Boys (2004).

Mit den 15 Songs seines Soloalbums A Little Warning From The Pimps setzt Bruckmayr jetzt genau an dieser Stelle an - und treibt seine Musik erstmals in durchaus kommerziell chancenreiche Bereiche leichter verträglicher FM4-Musik. Mit unterstützenden Musikern wie dem Wiener Elektronikveteranen Gerhard Potuznik, Clemens Haipl oder dem österreichischen Brachial-Metal-Gott Martin Schirenc von Pungent Stench entstanden so wunderbare Nachtschattengewächse, die den Melos der Pet Shop Boys ebenso kennen und schätzen wie den metallischen Amoklauf. Anspieltipps: der tränenreiche 80er-Jahre-Disco-Pop von I See Them Cry Backstage oder auch die alte Dead-Souls-Nummer Miss Biglove im Gewand eines Songs von A-ha. Tun Sie sich das bitte an! (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.12.2006)