Fiedler: "Eine grundsätzlich neue Verfassung hat man natürlich nicht mehr im Auge, höchstens eine - oder mehrere - große Verfassungsnovellen."

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Auch wenn er nur "eine oder mehrere große Verfassungsnovellen" un keine neue Verfassung erwartet, zeigt sich Franz Fiedler, Vorsitzender des Österreich-Konvents, zufrieden mit der Bereitschaft der Großparteien, nach all den Jahren endlich eine Verfassungsreform einzuleiten. Schließlich weiß er aus eigener Erfahrung im Konvent, dass das Thema großes Konfliktpotenzial hat.

Als Blockierer sieht er noch am ehesten die Länder. Eine kostengünstige Verwaltung brächte seiner Meinung nach aber eine "erhebliche Einsparung von Steuergeldern", die "allen nützt". Eine Reform werde es aber nur in einer Großen Koalition geben, deren Zustandekommen er gute Chancen einräumt. Eine Dreierkoalition hat laut Fiedler im Moment "sicher nicht die erste Priorität".

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derStandard.at: Bis Sommer 2007 solle das "Herzstück" der großen Koalition, eine Staats- und Verwaltungsreform beschlossen werden, sagt der wahrscheinlich nächste Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Sehen Sie die angekündigt Reform auch als Herzstück oder eher als Flickwerk?

Fiedler: Die Verfassungs- und Verwaltungsreform sehe ich sehr wohl als Herzstück einer großen Koalition. Die große Chance, die sich jetzt bietet ist, dass die beiden Parteien eine Zweidrittel-Mehrheit auf die Waagschale bringen. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall. Von beiden Parteien wurde auch die Bereitschaft bekundet, die Reform auf den Ergebnissen des Verfassungskonvents durchführen zu wollen, das werte ich positiv. Schließlich hätte man dieses sperrige Thema auch aus den Koalitionsverhandlungen draußen lassen können.

derStandard.at: Reichen Ihnen die derzeitigen Themenbereiche, auf die man sich geeinigt hat?

Fiedler: Eine grundsätzlich neue Verfassung hat man natürlich nicht mehr im Auge, höchstens eine - oder mehrere - große Verfassungsnovellen. Angesichts der vielen kontroversiellen Themen und Differenzen, die es im Konvent gab, bin ich aber mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden. Wenn eine Einigung zu den jetzt projektierten Streitthemen gelingt, dann könnte es durchaus dazu kommen, dass man das Vorhaben, eine gänzlich neue Verfassung zu machen, wieder aufgreift.

derStandard.at: Auf welche "kontroversiellen Themen" beziehen Sie sich?

Fiedler: Kontroversiell ist zum Bespiel die Ausformulierung des Grundrechtskataloges. Und dann ist natürlich die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ein schwieriges Thema. Man ist sich zwar einig, dass eine prinzipielle Zuständigkeit der Länder unter gewissen Bedingungen dem Bund zufallen kann. Welche Bedingungen das sind, darüber gehen die Meinung der Parteien und auch die innerhalb der Parteien auseinander.

derStandard.at: Hat die Staats- und Verwaltungsreform hier Stolpersteincharakter, schließlich muss man sich mit den Ländern einigen? Wer könnte blockieren. Voves? Pröll?

Fiedler: Ich nenne jetzt keine Namen, aber man kann sicher sagen, dass die Länder daran interessiert sind, bei einer Reform nichts oder kaum etwas an Kompetenzen einzubüßen. Jede Großpartei hat vier Landeshauptleute. Das erleichtert die Gesamtsituation nicht unbedingt. Eine Verwaltungsreform würde auch einen Abbau von öffentlich Bediensteten zur Folge haben. Deswegen kann das nur allmählich gehen und Einsparungen werden sich schon deshalb nicht sofort einstellen. Meiner Meinung nach muss aber nur der Stein ins Rollen kommen, dann werden auch die Länder mitziehen.

derStandard.at: Nach Expertenmeinung wären durch eine Neuorganisation der Strukturen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden Einsparungen in Milliardenhöhe möglich. Sehen Sie das auch so?

Fiedler: Wenn man die Reformen breit genug ansetzt, dann kann das der Fall sein. Ein Einsparungspotenzial von 3,5 Milliarden hat zum Beispiel Helmut Kramer geschätzt. Ich wäre schon mit der Hälfte zufrieden. Mit dem was bisher in den Koalitionsverhandlungen einvernehmlich geregelt wurde, ist man allerdings noch lange nicht so weit. Ich betrachte das aber als Beginn.

derStandard.at: Welche Einzelreformen wären aus Ihrer Sicht am Wichtigsten?

Fiedler: Die neue Verfassung soll die Grundlage für die kostengünstigere Erfüllung der Staatsaufgaben sein. Eine neue Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern ist aus ökonomischer Sicht, die ich mit meiner Person ja einbringe, äußerst wichtig.

Wenn man zum Beispiel in den Bereichen Energie, Umwelt, Gesundheit oder Schule alles in einer Hand hat, dann könnte man finanziell einiges einsparen. Soweit sind wir aber längst noch nicht. Mir persönlich wäre auch die Ausweitung der Prüfungskompetenzen des Rechnungshofes ein Anliegen. Er sollte in Zukunft auch für die Prüfung von Kleingemeinden zuständig sein. Auch in diesen Gemeinden bestehen manchmal große Missstände.

derStandard.at: Was würde Hans Kelsen dazu sagen, dass man jetzt schon seit Jahrzehnten versucht, seine Vorzeigeverfassung zu reformieren?

Fiedler: Für die damalige Zeit war die Verfassung von Hans Kelsen sehr fortschrittlich, aber mit gewissen Geburtsmängeln behaftet. Man hat sich aber schon 1920 nicht auf einen Grundrechtskatalog einigen können. Ein weiterer entscheidender Fehler war, dass man keine Regelung aufgestellt hat, dass Verfassungsrecht nur das sein darf, was in der Verfassung verankert ist.

Das führte dazu, dass wir heute bei 1300 verfassungsrechtlichen Bestimmungen gelandet sind. Auch die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern war vielfach ein Kompromiss, den man eingegangen ist, weil man keine andere Chance sah. Aber Kelsen musste sich natürlich mit den Großparteien einigen, und das unter Zeitdruck. Heute ist Kelsens Verfassung eindeutig in die Jahre gekommen.

derStandard.at: Scheiterte die Neuordnung der Verfassung bisher auch daran, dass dieses sehr theoretische Thema kein Potenzial als Wahlkampfthema hat?

Fiedler: Das ist sicher ein Elitenthema ist. Dem kleinen Mann auf der Straße ist die Verfassung ein Buch mit sieben Siegeln. Mit einfachen Gesetzen wie ASVG oder Pensionsregelungen hat er wesentlich mehr zu tun. Die Verhandlungen in den Parteien erleichtert es aber auf der anderen Seite wieder, wenn sich nicht ununterbrochen Besserwisser von außen einmischen. Abgesehen davon ist die beste Verfassung ohnehin die, die man im täglichen Leben nie braucht und die nicht zur Diksussion steht, weil sie funktioniert.

derStandard.at: Was würden Sie dem "kleinen Mann" sagen, wenn er wissen will, was ihm eine Reform bringt?

Fiedler: Ich würde ihm sagen, dass das Ganze eine kostengünstige Verwaltung bringen soll. Und diese Einsparung von Steuergeldern, die spürt auch er. Das ist der Vorteil, den eine neue Verfassung mit sich bringen kann, wenn man die richtigen Entscheidungen trifft.

derStandard.at: Eine Reform wird es nur in einer Großen Koalition geben. Wird die kommen oder wird Schüssel doch noch eine Dreierkoalition mit Orange-Blau anzetteln?

Fiedler: Ich sehe sowohl bei SPÖ als auch bei ÖVP den guten Willen. Solange der weiter erkennbar ist, sehe ich alle Chancen für eine Große Koalition. Ich bin mir aber bewusst, dass es hier auch schrille Töne gibt. Eine Dreierkoalition ist im Moment sicher nicht die erste Priorität, wenn es überhaupt eine ist.

derStandard.at: Stünden Sie für einen Job in der Regierung zur Verfügung? Finanzminister, Justizminister oder ähnliches?

Fiedler: Mir hat niemand ein Amt angeboten. Pensionsgedanke hege ich allerdings noch nicht, man hat immer noch was zu tun. (Manuela Honsig-Erlenburg, derStandard.at, 21.12.2006)