„Ich bin jedes Mal gezwungen zu schmieren“, Ioan Lacatusu.

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Ioan Lacatusu ist in der ganzen Stadt unter seinem Spitznamen „Lache“ bekannt. Früher, unter den Kommunisten, war er Schlagzeuger in einer Band. Nach der Wende machte er zuerst eine Firma für Dekorationsgegenstände auf, jetzt kauft er von der Caritas in Deutschland alte Möbel und verkauft sie in einer Gemeinde in der Nähe von Sibiu. Gleichzeitig spekuliert er mit Grundstücken. Anpassungsfähig, redselig ist Lache.

Sein wirtschaftlicher Erfolg baut auf den alten Freundschaften auf. Lache imitiert den legendären rumänischen Schauspieler Toma Caragiu mit seinem Sketch „Mein Haberer, Herr Kennst-du-jemanden“ aus dem Stegreif: „Herr Kennst-du- jemanden bestand darauf, mich zu überzeugen, dass es sehr gut sei, jemanden zu kennen, der seinerseits jemanden kennt, in der Nähe von jemandem ... Und nachdem du geboren wurdest, solltest du jemanden kennen der dich auf seine Arme nimmt ... es kann auch ein Beamter sein, der dich auf seine Arme nimmt und … hopp, bist du oben! Kennst du niemanden, musst du hopp! machen mittels eines Wettbewerbs. Der Wettbewerb ist Donnerstag, und die Stelle ist am Dienstag besetzt.“ Nun, Lache hat es geschafft, sich über seine Beziehungen sozusagen den Mittwoch zu erkämpfen.

Es gelang ihm einen alten Mercedes-Bus in Rumänien anzumelden. Damit schleppt er zweimal im Monat alte Möbel aus Deutschland herbei. Korruption? „Bei der Grenze bin ich jedes Mal gezwungen zu schmieren. Man macht sich’s untereinander aus, überm oder unterm Tisch eben. Es kann 200 Euro kosten. Auch wenn ich alle nötigen Dokumente vorweisen kann, schicken sie mich manchmal zurück, um ‚noch mal drüber nachzudenken‘.“

Auch für den 35-jährigen Iuli Arif, der seit etwa einem Monat als Tankstellenleiter bei Petrom-OMV in Sibiu arbeitet, ist Korruption das, was ihn an seinem Land am meisten entrüstet.

Er wohnt noch bei den Eltern in einer kleinen Plattenbauwohnung am Stadtrand. Seit der Wende hat er mehr Jobs gehabt, als er auf die Schnelle aufzählen kann. Mehr als 200 Euro könnte er sich für die Miete nicht leisten, und zu dem Preis ist kaum mehr was zu finden. Vor einem Jahr gründete er eine Firma, die Bergwanderungen, Fahrrad- und Kanutouren anbietet. Doch die Einnahmen reichten nicht aus. Nun hofft er, das Geschäft mit europäischen Fördergeldern wieder aufnehmen zu können.

Bisher erlebte er immer wieder, wie Tourismus allein als Theateraufführung für ausländische Touristen betrieben wird. Bei einer so genannten „traditionellen Hochzeit“ wurde alles für einen Bus voller Franzosen nachgestellt:_Das Einweihungsritual der Ehegatten und der Kreistanz „Hora“. Der Bräutigam wurde wie in alten Zeiten vom Dorfältesten rasiert, aber nur zum Schein, eben mit der stumpfen Seite des Rasiermessers. Dafür aber mit Gillette-Rasierschaum aus der Spraydose.

Auch bei der Tankstelle passt man sich den westeuropäischen Wünschen an. Arif muss die Verkäufer zur „aktiven Verkaufspolitik“ animieren. „Es ist äffisch, den Kunden jedes Mal zu fragen, ob er eine Tasse Tee zum Schnitzelsandwich haben will“, sagt er. Sogar Grußformeln sind vorgeschrieben: Guten Tag, nicht Servus. Auch mit anonymen Kontrollen wird gedroht: „Wenn der Kontrollor, genannt „Mister Motorist“, dann entdeckt, dass wir die aktive Verkaufspolitik oder die Grußvorschriften nicht befolgen, meldet er das weiter.“ (Laura Balomiri aus Sibiu/ DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2006)