Bärbel Traunsteiner und Renate Tanzberger beim Jubiläumsfest EfEUs
Foto: EfEU
Ausstellung zu 20 Jahren EfEU
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Wien - "Es kann noch lange keine Rede davon sein, dass im Bildungsbereich flächendeckend ein Bewusssein bezüglich der Wirkmächtigkeit von Gender da wäre", betont Renate Tanzberger von EfEU, Verein zur Erarbeitung feministischer Erziehungs- und Unterrichtsmodelle, gegenüber die Standard.at.

Gesetzliche Maßnahmen

Anlässlich von 20 Jahren EfEU-Einsatz für geschlechtersensiblen Unterricht blickt die Pädagogikexpertin auf die Entwicklung in Österreich, wo sich auf gesetzlicher Ebene viel getan habe. Inzwischen gebe es zahlreiche Maßnahmen, u.a. einen didaktischen Grundsatz "bewusste Koedukation" in den Lehrplänen, geschlechtersensible Unterrichtsprinzipien und Aktionspläne, Gender Mainstreaming Clusterschulen in mehreren Bundesländern und zahlreiche Unterrichtsmateralien.

"Mit anderen Worten: Wenn ich Lehrerin oder Lehrer bin, ist es nicht länger mein Hobby, wenn ich mich im Unterricht mit Gender auseinandersetzen möchte oder wenn ich eine Schulentwicklung in Richtung Geschlechtergerechtigkeit einfordere. Ich habe sozusagen die Rückendeckung von oben, in diesem Bereich zu arbeiten, mehr sogar: LehrerInnen – und natürlich DirektorInnen – sind herausgefordert, in diesem Bereich tätig zu werden", erläutert Tanzberger. Sensible Lehrkräfte würden an den Schulen zum Teil unterstützt, zum Teil bliebe ihnen aber oft nur, "ziemliche EinzelkämpferInnen" zu sein.

Koedukation

Was die inzwischen viel diskutierte Koedukation betrifft, sieht Tanzberger punktuelle Geschlechtertrennung durchaus mit Sinn, insgesamt müsse Koedukation aber weiter erforscht, evaluiert und verändert werden. "Eine Koedukation, bei der die Rolle von Gender in der Schule nicht thematisiert wird, kann durchaus Nachteile für Mädchen (und auch für Buben) bringen. Erst wenn Kommunikation und Interaktionen dahingehend betrachtet werden, ob sie Mädchen und Buben gerecht werden, wenn die Lerninhalte und die Schulbücher wirklich nicht-sexistisch sind, wenn die Sprache in der Schule auch Mädchen und Frauen sichtbar macht, wenn auf struktureller Ebene geschaut wird, in wie weit die Schule nicht doch auch männlich ist (und das obwohl wesentlich mehr Frauen in ihr unterrichten) – also, wenn eine bewusste Koeduaktion eingetreten ist, sind Nachteile der Koedukation auszuschließen."

Eine große Herausforderung sei es auch, "durch die Auseinandersetzung mit Gender nicht Geschlechtsrollenstereotypen zu erzeugen (Mädchen sind so, Buben sind so,...), sondern die Konstruktion von Gender und die Möglichkeit von Veränderungen zum Thema zu machen", so die Universitätslektorin.

Bildungspolitik

Die Rolle des Bildungsministeriums nimmt Renate Tanzberger "zwiespältig wahr": "Einerseits gibt es von dort gesetzliche Vorgaben, es scheint den politischen Willen zu geben, Ungleichheiten und Diskriminierungen abbauen zu wollen. Andererseits werden dafür viel zu wenig Ressourcen zur Verfügung gestellt. Und ich rede da nicht nur von Geld, sondern auch von zeitlichen Ressourcen und von Wissensressourcen."

An Möglichkeiten fehlt es nicht, denn Vorschläge und Forderungen gibt es zum Teil seit Jahrzehnten. Zum Beispiel sollte in der Ausbildung von LehrerInnen eine Auseinandersetzung mit der Genderthematik verpflichtend vorgeschrieben werden. Lange bestehende Richtlinien zur Darstellung von Frauen und Männern in Schulbüchern sollten bindend werden und ein Preis für geschlechtergerechte Schulbücher ausgerufen werden. "Mit der Abteilung für geschlechtsspezifische Bildungsfragen und Gender Mainstreaming im Bildungsministerium arbeiten wir viel und gut zusammen. Fein wäre es, wenn auch diese Abteilung mehr Ressourcen bekommen würde", so Tanzberger.

Tätigkeiten

Die Arbeit der Einrichtung beschränkt sich nicht nur auf den schulischen Bereich, sondern setzt vielmehr bereits bei der geschlechtersensiblen Sozialisation, im Kindergarten und Hort an und erstreckt sich auf Tätigkeiten im außerschulischen Bereich (u.a. diverse Projekte für Mädchen und Burschen) und im Erwachsenenbildungsbereich.

Was die Finanzierung des Vereins betrifft, erhält EfEU eine Grundsubvention durch das Frauenbüro der Stadt Wien und das Bildungsministerium. Dazu kommen Mittel über Aufträge und ein kleiner Teil auch über Unterstützungsbeiträge. Wie bei anderen Einrichtungen, ist eine längerfristige Planung jedoch schwierig, wenn auch der Drei-Jahres-Vertrag des Frauenbüros ein erster Schritt in die richtige Richtung ist.

Anerkennung

Neben der punktuellen Kooperation ist der Verein "lange Zeit zu zweit getragen" worden, erzählt Tanzberger, "nun sind wir aber in der schönen Situation, eine dritte Mitarbeiterin anstellen zu können". So ist auch der Erfolg der kontinuierlichen Arbeit bei der 20-Jahr-Feier im Mittelpunkt gestanden, "wo ich gesehen habe, dass unsere Arbeit geschätzt wird, wie viel sich in der letzten Zeit doch getan hat und wie tolle Menschen es gibt, die mit uns in Richtung Gerechtigkeit arbeiten", so die EfEU-Mitarbeiterin.

Neben der finanziellen Absicherung wäre es Tanzberger ein Anliegen, wenn die künftige Regierung die interministerielle Arbeitsgruppe, die sich mit Genderfragen im Bildungsbereich auseinandergesetzt hat, reaktivieren würde. Und das Frauenministerium sollte "wieder von einer Feministin geleitet" werden. (Daniela Yeoh)