Im Zentrum einer medialen Aufregung in Wien: Scheich Adnan Ibrahim.

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Scheich Adnan Ibrahim ist plötzlich Mittelpunkt einer von der Krone geschürten medialen Aufregung: "Hassprediger in Wiener Moschee! Terrorabwehr eingeschaltet", schrie die Schlagzeile. Der populäre Prediger von der "Schura"-Moschee in der Wiener Praterstraße habe auf seiner Website in so genannten "Fatwas" (religiöses Rechtsgutachten) die Ehe zwischen Muslimen und Christinnen verurteilt sowie die Hisbollah und die Hamas verherrlicht und zum Sturz der arabischen Regierungen aufgerufen.

Aber genau jener Scheich Adnan Ibrahim, ein charismatischer Vierziger mit gepflegtem, kurzgehaltenem Bart, wurde doch von der "Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich" einer interessierten Öffentlichkeit als Vertreter eines liberalen, weltoffenen Islam und vor allem als eindeutiger Gegner des Terrorismus präsentiert? Auch bei Nichtmuslimen ist Adnan Ibrahim durch einige Interviews, auch im Standard, bekannt geworden.

Die Anzeige an die Staatsanwaltschaft gegen Adnan Ibrahim stammt von einem österreichischen Aktivisten, der etlichen Journalisten seit Langem wohlbekannt ist und der vor Jahren auch mit seinen Wahrnehmungen in der Briefbomben-Affäre an die Staatsanwaltschaft herantrat.

Tatsächlich sind die öffentlichen Äußerungen des Scheichs (arabisch: "Ältester", wird heute für führende geistige Persönlichkeiten im arabischen Raum benutzt) vollkommen eindeutig: Er sprach den Selbstmordattentätern jede religiöse Glaubwürdigkeit ab, forderte die Gläubigen auf, die Behörden zu informieren, wenn sie Kenntnis von geplanten Attentaten erhielten, verurteilte in seinen Predigten die diversen Anschläge in Europa und die "klammheimliche Freude" darüber, erließ eine Fatwa gegen die weibliche Genitalverstümmelung, verurteilte die Leugnung des Holocaust usw.

Gewalt gegen Zivilisten verboten

Vor Kurzem hielt er auch einen Vortrag an der Universität Wien über "Gewalt und Islam". Gewalt gegen Zivilisten sei verboten, die Muslime seien zur Gewaltlosigkeit angehalten, "es sei denn, sie werden unterdrückt", was von einigen Zuhörern als Hintertür zur religiösen Rechtfertigung von Gewalt empfunden wurde. Darauf angesprochen, sagt der 1966 in Gaza geborene Adnan Ibrahim, das sei ein Übersetzungsfehler: Gemeint habe er "außer zur Selbstverteidigung". Erlaubt sei auch ziviler Widerstand gegen "Besatzung" und gegen diktatorische Regime, erklärt der geborene Palästinenser, der in Bosnien Medizin studierte, ehe er 1991 nach Österreich kam und Imam wurde.

Die fraglichen Stellen auf seiner Website seien entweder selektiv interpretiert, oder es seien überhaupt Postings. Es gebe "auf beiden Seiten" Radikale, die ihn, den Liberalen und Dialogbereiten, diskreditieren wollten. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe 30./31.12.2006)