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Ein Bild der guten Laune: die Wiener Philharmoniker und ihr Freund Zubin Mehta. Dieser war zu selten fordernd und gestaltungswillig.

Foto: APA

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Ein Bild der guten Laune: die Wiener Philharmoniker und ihr Freund Zubin Mehta. Dieser war zu selten fordernd und gestaltungswillig.

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Bei seinem insgesamt vierten Neujahrskonzert gab er sich als routinierter Fan des philharmonischen Klanges.

Wien – Bei manchen Konzerten hofft man ja, dass sie zumindest nach der Pause wirklich beginnen, irgendwie loslegen. Naturgemäß: Man hofft prinzipiell immer. Aber besonders bei einem Event, der ja ein neues Jahr eröffnet, also grundsätzlich etwas mit der unbekannten Zukunft zu tun hat, die man folglich mit allerlei positiven Erwartungen aufladen kann. Außerdem: Bevor es in die Pause geht, im Wiener Musikverein, kredenzen die Wiener Philharmoniker mit Dirigent Zubin Mehta die Einzugs-Polka von Strauß, dem Vater.

Na also! Das müsste doch noch was passieren.

Bis zur Pause hatte man ja eigentlich nicht das Gefühl, dass irgendetwas wirklich begonnen hätte: Aufwärmen mit Strauß Sohn, (}ivio!), dann ein etwas träger Walzer von Josef Strauß (Flattergeister); in weiterer Folge eine lieb dargebotene Moulinet-Polka desselbigen, schließlich des jüngeren Hellmesbergers Elfenreigen, bei dem immerhin im Sanften delikate Klangarbeit das Gefühl erweckte, hier würde man das musikalische Gegenstück zu einer zierlichen, verschnörkelten Porzellanfigur erspielen wollen. Zwischendurch wird es auch da aber etwas klobig, während beim Delirien-Walzer von Vater Strauß nebst einem intonatorischen Tuttiwackler immerhin ein schön gebundener schwebender Übergang gelang. In Summe also ganz schön wenig.

Keine Pointe

Maestro Mehta – das ist eben der Fan, der sehr am philharmonischen Klang hängt und pickt. Um diesen zu hören, um diesem Klang Platz zu schaffen, ebnet er vieles an Phrasierungsmöglichkeiten ein, wähnt sich dann schon auf halber Gestaltungsstrecke schon am Ziel – was bei Walzern einfach schöne, aber eher einschläfernd schöne Effekte nach sich zieht.

Da klingt dann jede Wiederholung gleich, nirgends eine Pointe. Da werden Walzerteile zu Schablonen, starren Gebilden; und die Philharmoniker geraten so zu einer Schönklangmaschine, die im Fetzigen dann natürlich auftrumpfen kann – doch es bleibt auch dies ein äußerer Effekt. Und Mehta nur ein gestenreicher Zuhörer.

Im Grunde auch nach der Pause: eher langsam die Waldmeister-Ouvertüre aus der gleichnamigen Operette des 70-jährigen Walzerkings. Ein bisschen flotter, aber auch ohne besondere Qualitätseffekte der Walzer, den sich Mehta gewünscht hat (Wo die Citronen blüh'n).

Mehta ist beim Spritzig-Knalligen (Ohne Bremse von Eduard Strauß) in seinem heiter-entspannten Element, aber mit der Elastizität der Walzer kann er nicht viel anfangen, er vermag die Einladung zum musikalischen Zeitspiel nicht anzunehmen. Immerhin: Beim Dynamiden-Walzer, der Rosenkavalier-Komponist Richard Strauss sehr gut gefallen haben muss, stellt sich etwas Tiefe ein. Schmerzhaft tönt es und glüht. Es ist an einem Vormittag zwischen nett und behäbig dann jener Augenblick, der doch etwas Substanz bringt.

Ist ein bisschen mager. Da entschädigt die Fantasie Erinnerungen an Ernst oder: Der Carneval in Venedig, bei dem es dann doch scherzhaft-theatralisch zugeht, weil die Philharmoniker im Wechselspiel von Solist und applaudierendem Kollektiv auf entspannte Art und Weise das Eitle ihres Berufes kurzweilig ausleben können, nur ein bisschen. Solid wird es wieder beim Donauwalzer, den Mehta knapp unter zehn Minuten hält – also doch eher langsam.

Was er noch tat: Er hat Rumänien und Bulgarien als neue EU-Mitglieder begrüßt, hat mit bescheidenem Erfolg unterbunden, dass das Publikum gleich zu Beginn des Radetzky-Marsches applaudierend losschlägt. Und in Summe Erinnerungen geweckt – an jene Neujahrskonzerte, die Tiefe und Exzentrik (Nikolaus Harnoncourt), unerwartete Leichtigkeit (Seiji Ozawa) hatten oder akribisch Analyse und Emotion fusionierten (Mariss Jansons). Er selbst bot eine Art Fest, bei dem nur Deftiges serviert wurde, was ja in der Regel zu allzu schneller Erschlaffung führen kann. Die Philharmoniker brauchen jemanden, der sie fordert, besonders beim scheinbar Leichten. Der unbekümmerte Mehta hat es zu leicht genommen. (Ljubisa Tosic/ DER STANDARD, Printausgabe, 02.01.2007)