Lächelnd hat die niederösterreichische Politikerin Liese Prokop das Mögliche ausgelotet - und umgesetzt, was sie als sinnvoll erkannt hat.

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In ihrem Leben vor der Politik: die Spitzensportlerin Liese Sykora mit ihrem Trainer und späteren Ehemann Gunnar Prokop.

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Innenministerin Liese Prokop ist am Silvesterabend überraschend einem Riss in der Hauptschlagader erlegen. Während Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ihre Geschäfte übernahm, zeigten selbst die politischen Gegner Betroffenheit und Trauer.

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St. Pölten - Beim Skirennen am Semmering in der Vorwoche war sie noch gesund, munter und von der ihr eigenen Fröhlichkeit. Und so hat man sie in Erinnerung - als Sportlerin, die sich mit anderen Sportlern freut, auch wenn sie längst nicht mehr selbst aktiv war und ihre Welt die Welt der Politik geworden ist.

Der mächtige Landeshauptmann Erwin Pröll, langjähriger politischer Weggefährte von Liese Prokop, brach in Tränen aus, sprach von einer Welt, die zusammengebrochen ist, als ihn die Nachricht vom Ableben Prokops erreicht hat. Daheim in Annaberg hatte sie am Nachmittag des Silvestertags plötzlich ein Stechen in der Brust verspürt - man hatte noch versucht, sie in das Krankenhaus St. Pölten zu bringen, aber der Weg war zu weit, der Blutverlust zu hoch. Liese Prokop, die durchaus noch vorgehabt hatte, auch der nächsten Bundesregierung anzugehören, erlebte das neue Jahr nicht mehr.

Engagement

Wenn in Nachrufen davon die Rede ist, dass sie dem politischen Leben so abgehen würde, dann hängt das damit zusammen, dass sich niemand eine politisch indifferente Liese Prokop vorstellen hätte können: Selbst im Ruhestand hätte sie sich noch engagiert - schließlich war sie in einem Alter Ministerin geworden, wo andere sich guten Gewissens bereits in die Pension verabschieden.

Im Dezember 2004 war ihre Bestellung zur Nachfolgerin von Ernst Strasser vielfach mit Skepsis kommentiert worden: Die niederösterreichische ÖVP schicke ihr letztes Aufgebot ins Rennen, hieß es damals. Ihr erster Kritiker war damals SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos, der sich am Montag als Erster über Prokops Ableben betroffen zeigte.

Tatsächlich hatte sie die Aufregung um die schwierigen Materien der unmittelbar vor ihrem Amtsantritt beschlossenen Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie ebenso geschickt beruhigt wie die um Fremdenwesen und Staatsbürgerrecht.

Familiäre Erfahrung

Das hat viele erstaunt. Denn Prokop war in den Siebzigerjahren das, was man später eine Quereinsteigerin genannt hat. Ein netter Aufputz für die konservative, vom Bauernbund und dem bäuerlichen Langzeit-Landeshauptmann Andreas Maurer geprägte niederösterreichische ÖVP.

Als sie im Alter von 28 Jahren an wählbare Stelle auf die Landtagsliste gesetzt wurde, war sie vor allem als Leichtathletin bekannt. Erst wenige Wochen vor der Wahl hatte sie in Athen die Fünfkampf-Europameisterschaft gewonnen und in der Südstadt einen Weltrekord aufgestellt.

Dass die unter dem Namen Liese Sykora bekannt gewordene Leichtathletin aus einer hoch politisch geprägten Familie stammte, wussten nur Insider. Dass diese Prägung vom ÖVP-Arbeitnehmerflügel ÖAAB kam, noch weniger.

Medienwirksam

Es war sicher nützlich, als Sportlerin bekannt zu sein und auch noch einen medienwirksamen Ehemann zu haben. Im Jahr 1965 hat die Sportlerin Liese Sykora ihren Trainer Gunnar Prokop geheiratet - in der Familie gibt es mit Maria und Thomas Sykora noch weitere Spitzensportler. Noch nützlicher war ihr aber, dass sie vom Vater Hans Sykora gelernt hatte, wie man mit Andersdenkenden verhandelt. Der Vater war Bezirkshauptmann in Tulln gewesen und galt als besonders geschickt im Umgang mit der russischen Besatzungsmacht.

Auch hat sie durch den Vater das Denken und Lenken der Verwaltung gelernt. 23 Jahre war sie in der Landesregierung, zwei weitere in der Bundesregierung - ohne Skandal, ohne Sensationen, aber letztlich stark prägend. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe 2.1.2007)