Wiesbaden/Berlin/Baden - Die kräftige Konjunktur in Deutschland beflügelt jetzt auch den Arbeitsmarkt. Die Zahl der Erwerbstätigen lag 2006 im Schnitt um 0,7 Prozent höher als im Vorjahr, wie das deutsche Statistische Bundesamt am Dienstag auf Basis vorläufiger Berechnungen in Wiesbaden mitteilte. Es handle sich um die stärkste Beschäftigungszunahme seit dem Jahr 2000. Im Schnitt seien 39,1 Millionen Menschen erwerbstätig gewesen. Im Vorjahr war die Erwerbstätigenzahl noch um 0,1 Prozent gesunken.

Neben der Konjunktur habe auch die Fußball-Weltmeisterschaft zur positiven Entwicklung beigetragen, erklärten die Statistiker. Auch sei die Beschäftigung erneut durch arbeitsmarktpolitische Instrumente angehoben worden. Während 2005 die Förderung der Selbstständigkeit im Vordergrund gestanden habe, seien es 2006 unter anderem die so genannten Ein-Euro-Jobs gewesen.

Aber auch der seit rund fünf Jahren anhaltende Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung wurde nach Angaben des Amtes gestoppt. Seit April 2006 sei hier den Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit zufolge ein Anstieg zu verzeichnen. Werte für das Gesamtjahr lägen aber noch nicht vor, da für die beiden letzten Monate des Jahres noch die Hochrechnungen fehlten.

Überproportional nahm die Beschäftigung im Dienstleistungssektor zu. Hier stieg die Zahl der Erwerbstätigen um 1,3 Prozent auf knapp 28,3 Millionen. Damit waren rund drei Viertel aller Erwerbstätigen im Dienstleistungsbereich tätig. In der Industrie ging die Beschäftigung dagegen um 1,1 Prozent zurück. Der seit rund zehn Jahren anhaltende Rückgang beim Bau kam mit minus 0,4 Prozent fast zum Stillstand, in der Land- und Forstwirtschaft gab es keine Veränderungen.

Tausende neue Arbeitsplätze

Nach einer Umfrage der "Bild"-Zeitung (Dienstag) in 14 Branchen werden auch im neuen Jahr weitere Jobs geschaffen. Unter dem Strich könnten nach Schätzungen 83.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Experten rechneten allein im Gesundheitswesen mit 25.000 bis 50.000 neuen Jobs, schreibt die Zeitung. Vertreter des Einzelhandels und des Handwerks rechneten dagegen mit einem Rückgang in ihren Bereichen.

Die deutsche Wirtschaft blickt nach Einschätzung des Münchner ifo-Instituts derzeit einem nachhaltigen Aufschwung entgegen. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn, die aktuelle Lage sei außerordentlich gut und die Erwartungen der Wirtschaft ebenfalls spitzenmäßig. Man könne nun noch mit zwei, drei guten Jahren rechnen.

Aufschwung trotzt Mehrwertsteuer

Der Wirtschaftswissenschaftler glaubt nicht, dass die höhere Mehrwertsteuer den Aufschwung bremsen kann. Zum einen habe die Investitionsgüternachfrage bereits angezogen, zum anderen fehle es nicht an Kaufkraft. 2007 werde die Arbeitslosigkeit weiter zurückgehen, prophezeite er. Das ifo-Institut erwarte einen Rückgang von 4,5 auf 4,1 Millionen Arbeitslose. Möglicherweise werde es 2008 sogar gelingen, unter die Vier-Millionen-Grenze zu kommen.

Rückenwind hat vor allem die deutsche Industrie zum Jahresbeginn 2007: Der RBS/BME-Einkaufsmanagerindex (EMI) zeigte 2006 mit im Schnitt 58,1 Punkten eine höhere Dynamik an als im Boomjahr 2000, wie das britische Forschungsinstitut NTC am Dienstag mitteilte. Im Dezember erreichte der Frühindikator ein Halbjahreshoch. Experten gehen davon aus, dass die Industrie dank der guten Ausgangslage die negativen Folgen der höheren Mehrwertsteuer leichter wegstecken wird.

Zum Jahresende waren die Auftragsbücher der rund 400 monatlich befragten Unternehmen erneut gut gefüllt. Sie fuhren ihre Produktion hoch und bauten weiter Beschäftigung auf. Der EMI stieg auf 59,4 nach 58,3 Punkten im November. Der Frühindikator zeigt ab einem Wert von 50 Wachstum in dem Wirtschaftssektor an. Von Reuters befragte Experten hatten im Mittel mit einem Anstieg des EMI auf 58,8 Punkte gerechnet. "Das Verarbeitende Gewerbe hat ein bereits sehr starkes Jahr mit einem positiven Ton beendet", sagte RBS-Volkswirt Achim Kübler.

Der Index für den Auftragseingang stieg auf den höchsten Wert seit Juni, ebenso der Produktionsindex. Nicht nur die Nachfrage aus dem Inland, sondern auch die aus dem Ausland zog weiter an. Bestellungen kamen vor allem aus der EU, Osteuropa, Südostasien und den USA. Mit 53,6 Zählern lag der Beschäftigungsindex im Dezember noch immer deutlich über der Expansionsschwelle und nur wenig unter dem Fünf-Jahres-Hoch von November mit 53,8 Punkten. Die Umfrageteilnehmer gaben an, die guten Umsätze und die vielen Aufträge hätten sie zu Neueinstellungen veranlasst. (APA/dpa/AP/Reuters)