Allen Kritikern, die Alfred Gusenbauer jetzt vorwerfen, er habe in den Regierungsverhandlungen mit seinem Vorgänger Wolfgang Schüssel alles getan, um dieses simple Gesetz der Politik außer Kraft zu setzen, kann er entgegenhalten: Er ist Bundeskanzler und hat die SPÖ nach sieben mageren Jahren aus der Opposition zurück in die Regierung geführt.

Das wiegt zwar nicht alles auf, aber es zählt unter dem Strich auch auf der größeren roten Rechnung, die nun doch um einiges wahrscheinlicher als noch vor wenigen Wochen auf die Dauer einer vierjährigen Legislaturperiode angelegt sein sollte. Möglicherweise steckt ja tatsächlich eine weiter blickende Strategie in dieser Partie des passionierten Tarockspielers aus Ybbs, obwohl man auf den ersten Blick meinen könnte, er habe die fettesten Farbstiche im Talon liegen und die eigenen gleich beim ersten Ausspielen der ÖVP gelassen.

Jedenfalls dürfte Gusenbauer wild entschlossen sein, sich als "Volkskanzler" alle schwarzen Kollegen so herzlich an die Brust zu nehmen, dass ihnen dabei die Luft ausgeht. Ob der Plan, als Kanzler für alles Gute der neuen Regierung zuständig zu werden, das Schlechtere aber den Ressortministern umzuhängen, aufgeht, steht auf einem ande- ren Blatt. Gusenbauer scheint, ausgestattet mit dem zusätzlichen Selbstvertrauen des Regierungschefs, den Kanzlerbonus nicht nur einzukalkulieren, sondern als fixen Bestandteil seiner Politik zu veranschlagen.

Ob das als weiterführende Interpretation der Einladung seines großen Vorbildes Bruno Kreisky zu verstehen ist, möglichst viele Menschen aus allen politischen Himmelsrichtungen auf ein gemeinsames Stück des Weges mitzunehmen, wird im Moment wohl nur Gusenbauer allein wissen.

In seiner eigenen Karriere hat das Arbeiterkind aus Niederösterreich zweifellos den vorläufigen Gipfel erreicht. Der 46-jährige Berufspolitiker, der 1987 mit einer Dissertation über die österreichische Friedensbewegung promovierte, hat sich in zähen Kämpfen von der Sozialistischen Jugend an die Parteispitze hochgearbeitet. Nach dem Ende der Regierung Klima im Jahr 2000 nur als Kompromisskandidat zum Zug gekommen, gelang es Gusenbauer als Parteichef innerhalb relativ kurzer Zeit, die SPÖ zurück an die Macht zu führen.

Auf dem Höhepunkt des Bawag-Skandals setzte auch in der SPÖ kaum jemand mehr einen Cent auf das politische Überleben Gusenbauers, und auf einen Wahlsieg schon gar nicht. Möglicherweise hat die Erfahrung, über Nacht plötzlich wieder alle jene an seiner Seite zu finden, die sich bereits aus dem Staub gemacht hatten, seinen Hang zu einsamen Entscheidungen noch weiter verstärkt. Man wird sehen, ob er sich als Bundeskanzler davon befreien kann. (Samo Kobenter/DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2007)