Elegante Schlichtheit im Fünf-Sterne-Haus: Frische Blumen täglich, gedämpftes Licht in der Schwimmhalle, und Billie Holiday singt "On The Sunny Side of The Street" zum Frühstück.

Foto: Schrampf
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"Es wird angenehm", verkündet Maleka freundlich, während sie eine auf den ersten Blick etwas zweifelhaft aussehende graugrüne Paste am ganzen Körper verteilt. Maleka ist Assistentin im Thalassozentrum des Hotels "The Residence" in Gammarth und führt einige Behandlungen durch, die Teil der hier angebotenen Thalassotherapie sind. Derart "gebeizt", wird man in eine Plastiktonne gesteckt, aus der nur der Kopf herausragt. Man wird etwa zwanzig Minuten erwärmt - "Köcheln auf kleinster Flamme" - und fühlt sich zuerst ungewohnt glitschig. Nach dem Besprühen mit anfangs kühlem, dann immer wärmer werdendem Wasser befindet die solcherart Behandelte, dass Maleka Recht hatte: Das Ganze lässt sich gut an und verdichtet sich mit Massagen und Ruhephasen, die sich abwechseln, zu entspannender Schwerelosigkeit. Die Landung fällt nach Malekas abschließender Vollmassage allerdings schwer. Orbit - Umlaufbahn - Erde: Aufschlag bei Karthago nahe Tunis - dafür ist man runderneuert.

Entspannung lernen

Erschütternd ist, dass ein durchschnittlich gestresster Mitteleuropäer Entspannung oft erst wieder lernen muss. In Tunesien hat man daraus ein neues Standbein für den Tourismus entwickelt. Um nicht als Land der Großhotels und Endlosstrände in die Geschichte einzugehen, die nur drei Monate des Jahres bevölkert sind, ließ man sich etwas einfallen, um Menschen außerhalb des Sommers ins Land zu bringen: Wellness und Gesundheitstourismus zählen mit Golf zu den zukunftsträchtigsten Zweigen.

Ein heute "besichtigbares" Zeichen der Badekultur, die die Römer bei ihrer Expansion im Mittelmeerraum gleich mitverbreiteten, sind die Reste der Antoninus-Pius-Thermen, die in der ausgedehnten Ausgrabungsstätte Karthagos direkt am Meer liegen. Die Grundfläche entspricht der eines großen öffentlichen Hallenbades, die Abfolge der Temperaturkammern sind auf einem Plan nachzuvollziehen. Die Gepflogenheit des öffentlichen Bades wurde auch in die islamische Kultur übernommen, heute noch manifest in den Hamams im nicht europäischen Mittelmeerraum. Einrichtungen dieser Art sind inklusive der Entspannungs- und Reinigungsrituale in vielen Wellnesshotels Tunesiens zu finden.

"Thalassa" - das Meer

Dieser Vormittag der Behandlungen erinnert mit seinem leichten, herb-salzigen Geruch an Hafen und Meer. Das darf jedoch so sein bei einer Therapieform, deren Bezeichnung vom griechischen Wort für Meer, "thalassa", hergeleitet wurde. Entwickelt wurde diese Kurform im 19. Jahrhundert in Europa, und sie ist bis heute in Frankreich und auch Deutschland verbreitet. Tunesien ist heute der zweitgrößte Anbieter dieser Therapie, bis zum Jahr 2020 sind 30 weitere Thalassozentren geplant. Dabei geht es sowohl um bloße Entspannung als auch um Heilbehandlungen bei Atemwegs-, Rheuma- oder Hauterkrankungen im Meeresklima: Ein medizinischer Check vor Antritt einer Kur ist erforderlich, mehrsprachige Ärzte sind in jedem der etablierten Zentren des Landes zur Stelle.

Thalassotherapie erinnert entfernt an Kneippkuren, wird aber mit Meerwasser, Algen und Sand durchgeführt. Zu den "traitments" gehören Massagen, klassisch oder per Wasserdüsen, Duschen mit warmem Meerwasser, Algenpackungen und auch Gymnastik. Die Standards sind hoch, orientiert man sich doch angesichts der wirtschaftlichen und politisch-historischen Nähe zu Frankreich und des Anteils europäischer Urlauber an Qualitätsübereinkünften europäischer Thalassozentren. Bereits nach drei Tagen fügen sich die Eindrücke zum Bild - am Meerwasserpool relaxend unter einer prachtvollen Kuppel im gedämpften Licht nuckelt man am Verbenen-Tee und fantasiert zum tausendsten Mal, wie man mehr Meer nach Österreich bringen könnte. (Luzia Schrampf/Der Standard/RONDO/12.1.2007)