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Während die EU-Justizminister über schärfere Regeln für Gewalt verherrlichende Computerspiele diskutierten , feiern mehr als acht Millionen Menschen weltweit die neu auf den Markt kommende neue Version "ihres" Spiels: "World of Warcraft" (WOW).

Einige Neuerungen

Laut Angaben der Entwickler von Blizzard gibt es einige Neuerungen und Verbesserungen in "World of Warcraft: The Burning Crusade", dem ersten Add-On des Online-Rollenspiels.

"Scherben"

"The Burning Crusade" kommt mit einem neu zu entdeckenden Kontinent, der "Scherbenwelt" daher, die man erst dann betreten darf, wenn man das bisherige Höchstlevel von 60 Punkten erreicht hat. Neuer Ansporn für Dauerspieler: Jetzt geht es hinauf bis 70 Punkten. Außerdem gibt es zwei neue Völker, die Blutelfen im Lager der Horde und die Draenei auf Seiten der Allianz.

Experten warnen

Rechtzeitig zur Veröffentlichung warnen Experten vor dem Suchtcharakter dieses Computerspiels. "Ich habe gestern meine Freundin an WOW verloren", schreibt ein Mann auf der Seite Bronsky.net, der deutschen Variante einer Homepage in den USA, die sich "Widows of World of Warcraft" nennt. Darin tauschen die "Witwen", die Angehörigen der an das Computerspiel Verlorenen, ihre Erfahrungen aus.

Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, berichtet von Untersuchungen, wonach 61 Prozent der befragten Spieler von WOW angeben, mehr als vier Stunden täglich damit zuzubringen. "Ein Drittel bis 40 Prozent von ihnen sind süchtig", sagte Pfeiffer vor Journalisten in Berlin.G leichzeitig kritisierte er die nach dem Amoklauf eines Schülers in Erfurt vor einigen Jahren ins Leben gerufene Freiwillige Selbstkontrolle für Unterhaltungs-Software (USK): Diese bediene sich einer Reihe von Testern, die gleichzeitig Berater der Industrie seien. Spiele wie WOW seien für Jugendliche ab zwölf Jahren empfohlen, eines wie "Der Pate", wo der Spieler zwischen Tötung oder Verstümmelung seines Opfers wählen könnte, sei nicht verboten.

Krank

Pfeiffer: "Eine Gesellschaft, die solche Spiele zulässt, ist krank." Die Bundesprüfstelle könne aber nicht einschreiten, weil sie durch die Beurteilungen der USK gebunden sei. "Da ist ein grundlegender Fehler passiert", sagt Pfeiffer, der außerdem kritisiert, dass die USK damit geworben habe, Computerspiele seien gut fürs Lernen. Im Gegenteil: "Es besteht eine wachsende Diskrepanz zwischen Computer und Schulleistung." Deutschland halte einen Rekord im Leistungsabstand zwischen Migranten und Inländerkindern: Während Jugendliche aus Migrantenfamilien zu 44 Prozent über eine eigene Playstation verfügten, seien es bei Inländerkindern nur 22 Prozent.

"Wir führen das auf den Faktor Medien zurück"

Ähnlich verhalte es sich zwischen Buben und Mädchen generell: Buben hätten zu 40 Prozent eine Playstation daheim, Mädchen nur zu 15 Prozent. Dementsprechend sei eine Veränderung der schulischen Erfolge zu bemerken, sagt der Kriminologe: Vor einigen Jahren noch hielt sich der Anteil von Buben und Mädchen beim Wiederholen einer Klasse oder bei den Maturanten die Waage, jetzt sind 62 Prozent der Sitzenbleiber und nur 40 Prozent der Maturanten Burschen. "Wir führen das auf den Faktor Medien zurück", sagt Pfeiffer. Hirnforscher würden einen negativen Einfluss auf das Kurzzeitgedächtnis konstatieren: was mit Emotion verknüpft sei, wie etwa ein Computerspiel, werde nachhaltiger aufgenommen als ein vergleichsweise trockener Lernstoff.

"Die Schule als Kompensation für das, was in der Familie nicht mehr läuft."

1,2 Milliarden Euro Umsatz würde allein in Deutschland mit Computerspielen erzielt, sagt Pfeiffer. Er plädiert für Abgaben pro Spiel, die für Forschung und Therapieansätze verwendet werden sollten. Aber: "Die Politik ist noch gar nicht aufgestellt für dieses Thema." Allerdings seien die Süchtigen nicht ident mit den durch brutale Videos zu Gewalttätern Gewordenen: Erstere hätten gar keine Zeit für anderes. Eine Studie der Universität Stanford widerlege zudem, dass nur Schwache Opfer der Sucht würden: 40 Prozent der Süchtigen wären vorher sozial gut verankert gewesen, heißt es dort. Zudem fordert Pfeiffer mehr Angebote an Ganztagschulen: "Im Sinn von: Lust aufs Leben wecken, nicht als Kinderaufbewahrungsanstalt." Und: "Die Schule als Kompensation für das, was in der Familie nicht mehr läuft." (red/APA)