Was hat er denn nur angestellt, unser frisch gebackener Herr Bundeskanzler, dass er nun solche Prügel ausfasst? Und noch dazu von seinen eigenen Leuten! Er hat doch nur getan, was vor den Wahlen alle tun, nämlich seinen Mund ein bisschen zu voll genommen. Und wer tut das nicht?

Man denke an Franz Vranitzky, der schon vor zwölf Jahren Österreichs Pensionisten mittels eines brieflich abgegebenen Versprechens auf Erhöhung ihrer Bezüge ihre Stimmen abluchste, um sie nach gewonnener Wahl schnöde mit einer Nullrunde abzuspeisen.

Was sich in diesen Tagen auf den Straßen und in den SP-Sekretariaten abspielt, ist möglicherweise doch mehr als der durch ein Fanal der gebrochenen Versprechen entfesselte rote Zornausbruch.

Was diesen Aufruhr grundiert, dürfte viel eher die vor allem in der jüngeren Vergangenheit verstärkt feststellbare latente Bereitschaft von SP-Funktionären sein, der angestrebten eigenen gesellschaftlichen Akzeptanz und Rangerhöhung zu liebe ihre ideologische Identität und damit auch die Solidarität mit ihrer Klientel und mit der Gesellschaftsklasse, der sie entstammen, aufzugeben.

Eine Latenz, die sich sogar auch auf kulturpolitischem Gebiet belegen lässt. So gab der erste Auftritt der Salzburger Landeshauptfrau auf der kulturpolitischen Festspielbühne zunächst noch Anlass zu einiger Hoffnung. Immerhin hatte sie Mumm genug, sich wirksam gegen den Versuch der Festspielpräsidentin zu wehren, den mitunter zu martialischen Lösungen neigenden französischen Philosophen André Glucksmann als Eröffnungsredner einzuschleusen.

Dass der von ihr angebotene und auch durchgedrückte Ersatzredner, der ungarischen Filmregisseur István Szabó, auch nicht gerade das Gelbe vom Ei war, sollte man ihr angesichts der damals gebotenen Eile nicht nachtragen. Schon eher das widerstandslose Wohlverhalten, mit dem sie die bald darauf ins Werk gesetzte Intendantenkür akzeptierte.

Womit sie ein beredtes Zeugnis für ihre geglückte Eingemeindung in das zu behäbigen Lösungen neigende Salzburger Bürgertum ablegte. So verwunderte es auch nicht weiter, dass sie bei den diesjährigen Koalitionsverhandlungen stets als verräterisch stumpfe Speerspitze einen Umfaller ihres Chefs nach dem anderen verklausuliert angekündigt hat.

Nicht in jenem Ausmaß, aber doch lassen sich auch am neuen, ebenfalls und ganz besonders der roten Reichshälfte zuzuzählenden steirischen Kulturreferenten Kurt Flecker unübersehbare Symptome einer gewissen gesellschaftspolitischen Domestizierung feststellen. So ließ er im November 2005 nach seinem Amtsantritt verlauten, für eine im heurigen Sommer geplante Idomeneo-Produktion der styriarte unter Nikolaus Harnoncourt eine von seiner Vorgängerin Waltraud Klasnic zugesagte Sondersubvention nicht auszahlen zu wollen.

Wie immer man diese Ankündigung bewerten mochte, zweifellos transportierte sie ein nicht unerhebliches Ausmaß an kulturpolitischer Brisanz und einen erheblichen, Neugierde weckenden Wagemut zur Umgestaltung. Auch in seinem Falle wurden die üblichen Mechanismen wirksam, die Kurt Fleckers initiale Intentionen erfolgreich abfederten und die ursprüngliche Absage zu einer Verschiebung um ein Jahr gemildert haben.

So ist es nicht auch nicht weiter verwunderlich, dass Flecker die gestern vollzogene Kür einer neuen Leiterin für das Grazer Opernhaus widerstandslos als business as usual vor sich gehen ließ.

Hier schien der Nebel der Kameralistik wohl so dicht gewesen sein, dass ein klarer Blick auf harte Tatsachen wohl nicht möglich war. Sie bestehen darin, dass sich der finanzielle Aufwand von insgesamt mehr als 30 Millionen Euro durch den allein schon numerisch raren Output der beiden großen Grazer Häuser nur noch schwer rechtfertigen lässt. Von einem Kulturpolitiker seines Zuschnitts dürfte man wohl eher eine Neukonzeption des Grazer Theaterwesens erwarten als ein kreuzbraves weiterwursteln.

Die in einem Spätabendtelefonat rasch aus dem Bett ins Bundeskanzleramt beorderte neue Kulturministerin ließ allerdings auf ganz andere Weise aufhorchen. Nicht durch vollmundige Ansagen, sondern durch den jubelnden Wilkomm, der ihr just von jenen bereitet wurde, die einer SP-Ministerin eigentlich nicht zujubeln dürften. Nämlich ausgerechnet von den am Subventionstopf hängenden Megapfründnern wie Salzburger Festspiele oder Österreichs Bundestheater.

Aber so eng darf man die Dinge natürlich nicht sehen. Denkt doch Kanzlerfreund Neil Shicoff schon ganz laut darüber nach, welch leckere Dinge er als Staatsoperndirektor seinem Publikum wohl präsentieren könnte. Vielleicht gab es sogar Gelegenheit, ganz en passant natürlich, mit dem hochgestellten politischen Gönner über diese Angelegenheit ein wenig zu plaudern.

Am Abend von dessen Angelobung zum Beispiel, an dem sich der strapazierte Regierungschef in privatem Rahmen bei Martin Schlaff endlich ein bisschen entspannen konnte. Da soll nämlich der über seine allfällige Staatsoperndirektion meditierende Startenor das von ekeligen Protestchören beleidigte Ohr des Kanzlers mit einer Puccini-Arie wieder mit der verständnislosen SP-Welt versöhnt haben.

Wer den richtigen Milliardär zum Freund hat, ist nämlich nicht verloren. Den einen geleitet er mit einem Fest in sein neues Amt. Einen anderen wieder, wie Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner, holt er gegen Erlag von einer Million Euro aus dem französischen Häfen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.1.2007)