Architektonische Ästhetik ist (leider) kein Kriterium: Partizipationsprojekt "Wohnen mit Kindern" in Wien Floridsdorf, 1987.

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Partizipation bedeutet, dass sich die zukünftigen Bewohner direkt an der Planung beteiligen können. Zusammen mit den Architekten bestimmen sie die Struktur des Gebäudes, Lage und Art der Wohnungen, Größe, Ausstattung sowie Freiräume und Gemeinschaftseinrichtungen. Heute ist eine solche Beteiligungsmöglichkeit selten: Selbst bei hochpreisigen Eigentumswohnungen können bestenfalls ein paar Trennwände versetzt werden.

Für viele Mitbestimmungsprojekte - ob nun historisch oder gegenwärtig - steht im Mittelpunkt das Wohnen mit Kindern. Die Möglichkeit von nahen Verbindungen zwischen Wohn- und Außenraum, von großzügigen Spielzimmern und Gemeinschaftsflächen sind für viele ein Anlass, über gemeinschaftliches Bauen genauer nachzudenken. Die Vorteile gegenüber dem Wohnen von der Stange liegen auf der Hand: Gemeinschaft entsteht, die ökologische Ausrichtung des Baus kann kontrolliert werden, bei entsprechend professioneller Durchführung lässt sich unter Einhaltung der Baukosten sogar mehr herausholen als bei konventionellem Bauen: Kosten, die in der Regel den Gewinn des Bauträgers ausmachen, können auf diese Weise anderweitig genutzt werden.

Doch auch an Nachteilen mangelt es nicht: Der Planungsprozess erfordert viel Sitzfleisch, alle Entscheidungen müssen in langen Diskussionen mit den Mitauftraggebern und Planern geklärt werden. Nicht selten führt dies zu massiven Konflikten und erzeugt einigen Sand im Getriebe. Fehlende Vereinbarungen zwischen den Parteien können später zu bösem Erwachen führen.

Historische Wurzeln

Die ersten Partizipationsprojekte entstanden in den Sechziger- und Siebzigerjahren, bis in die Achtzigerjahre hinein wurde auch in Österreich nach der Prämisse der Mitbestimmung gebaut. Dabei wissen nur wenige, dass die Ursprünge dieser Idee viel weiter zurückliegen. Als die Not der Zwanzigerjahre die Wohnungssuchenden dazu brachte, sich zusammenzuschließen und im Selbstbau für die eigenen vier Wände zu sorgen, entstand der genossenschaftliche Wohnbau - sozusagen der Vorläufer des partizipativen Bauens.

Heute sind Baugruppen entideologisiert. Längst finden sich darin nicht nur die Jungen, sondern Bewohner aller Altersstufen. Statt sich auf die staatliche Wohlfahrt zu verlassen, folgen sie dem gesellschaftlichen Trend zur Selbstbestimmung. Eine Untersuchung der SRZ Stadt+Regionalforschung GmbH zu neuen Trends der Wohnungsnachfrage (durchgeführt 2002) stellte fest, dass an Mitbestimmung massives Interesse besteht (77 Prozent der Nachfragenden), vor allem bei Familien mit Kindern.

Trotzdem scheint dies in Österreich kein Thema zu sein. Während Ottokar Uhls Buch "Mitbestimmung im Wohnbau" aus dem Jahre 1987 noch 140 partizipative Bauten in ganz Österreich darstellte, ist heute Ruhe eingekehrt. Was ist der Grund dafür?

Vorbild Deutschland

Architekt Bernhard Steger stellt fest: "Während diese Projekte in Österreich nie ganz aus dem alternativen Eck heraustreten konnten, haben sich in Deutschland private Baugruppen als gleichwertige Partner am Wohnbaumarkt etablieren können." Dort werden derartige Projekte von der öffentlichen Hand unterstützt, weil sie wesentliche soziale Funktionen für ihr städtisches Umfeld miterfüllen.

In Hamburg besteht eine eigene Agentur für Baugemeinschaften, 15 Prozent der städtischen Wohnbauflächen werden ausschließlich für Baugruppen reserviert. Weitere Städte mit einem außergewöhnlich hohen Anteil an Baugruppenprojekten sind etwa Freiburg und Tübingen: Es gibt dort hunderte solcher Projekte, die Bebauung durch Baugruppen wird dezidiert forciert.

Ein weiterer Grund für die Entwicklung in Deutschland sind die neuen Kreditrichtlinien nach Basel II: Nachdem viele Bauträger die hohen Eigenkapitalerfordernisse nicht erfüllen können, ist die Finanzierung durch eine Gruppe von Bauherren ein möglicher Ausweg. Unterstützung gibt es vonseiten der Architekturforschung. Der deutsche Stadtforscher Günther Uhlig ist davon überzeugt, dass die heutige Ausrichtung auf kommunikative Planung einen guten Boden für Neuentwicklungen bieten wird - unter anderem in Richtung Partizipation. (Robert Temel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.1.2007)