Graz/Wien - Wenn der steirische Landeshauptmann Franz Voves sagt, bei der weiteren Privatisierung der Energie Steiermark AG (Estag) liege der Ball bei den Franzosen, dann ist das vielleicht leicht untertrieben. Denn der Knoten, den es in Graz aufzulösen gilt, gleicht dem gordischen.

Alle Fäden in der Hand haben die französischen Aktionäre Electricite de France (EdF) und Gaz de France (GdF), die über die gemeinsame Beteiligungsgesellschaft Societé d'Investissement en Autriche eine mit überdurchschnittlichen Mitspracherechten ausgestattete Sperrminorität (25 Prozent plus eine Aktie) an der Estag halten.

Die Verfügungsgewalt über dieses Paket ist ein Pfand. Wer es bekommt, hat die zum Verkauf stehenden 24 Prozent des Landes Steiermark so gut wie in der Tasche.

EdF will verkaufen, GdF nicht

Beim Verkauf des 1998 um 406 Millionen Euro erworbenen Pakets spießt es sich aber gewaltig. Obwohl zur Causa niemand offiziell etwas sagen will, steht fest: EdF will ihre durchgerechnet 20 Prozent an der Estag los werden, GdF ihre fünf Prozent nicht. Ein Verkauf am freien Markt ist für EdF aber praktisch unmöglich, weil GdF ein Vorkaufsrecht besitzt, das erst dann zum Rückkaufsrecht für die Estag wird, wenn GdF den EdF-Anteil nicht aufgreift.

Als Ausweg aus diesem Patt gilt nun eine Art Familiengeschäft: EdF verkauft ihr Paket an Energie Baden-Württemberg (EnBW), an der sie mit 45 Prozent beteiligt ist. Dass dieser Schachzug tatsächlich der Königsweg ist, wie man in Estag-Eigentümerkreisen hofft, bezweifeln Juristen allerdings. Denn rechtlich ist EnBW keine EdF-Tochter oder -Konzerngesellschaft, sondern lediglich eine Finanzbeteiligung, die nicht voll konsolidiert wird. Ergo dürfte GdF eine Weitergabe durch EdF an EnBW akzeptieren.

Gespräche werden "begrüßt"

Bei EnBW will derartige Winkelzüge niemand kommentieren. Konzernsprecher Dirk Ommeln bestätigt lediglich das Interesse der EnBW am Privatisierungsvorhaben. EnBW betrachte Österreich als attraktiven Wachstumsmarkt und wolle ihre Position weiter ausbauen, wie der Konzern aus Karlsruhe dem STANDARD mitteilte. Zu den laufenden Gesprächen mit dem Land Steiermark könne EnBW zur Zeit keine Stellungnahme abgeben. Nur so viel: "Die EnBW begrüßt, dass das Land Gespräche mit mehreren Interessenten anbahnen wird und dass keine vorzeitige Einengung auf einzelne Bieter vorgenommen wird."

Wer mit "einzelne Bieter" gemeint ist, ist klar: Der Verbund, dem mit seiner 34,57-Prozent-Beteiligung an der Estag-Stromtochter Steweag-Steg (SSG) im Poker um die Energie Steiermark auch eine Schlüsselrolle zufällt. Der mehrheitlich im Besitz der Republik stehende Verbund ist hinter den EdF-Anteilen seit Sommer 2005 her. Bisher ohne Erfolg - obwohl er für den französischen Estag-Anteil mittlerweile mehr als den seinerzeitigen Kaufpreis bietet.

Die Verbund-Variante hat für die Steirer viel Charme, weil sie klare Eigentumsverhältnisse schaffen würde: Der Verbund würde die EdF-Anteile kaufen und seine Steweag-Steg-Anteile gegen 24 Prozent an der Estag "tauschen", was dem Land Millionen bringen würde, weil die SSG mit deutlich mehr als 800 Mio. Euro bewertet wird.

Für eine gute Lösung für die Estag und sein Budget braucht Voves viel Geschick. Er sollte die deutschen Interessenten EnBW und RWE aber nicht nur als Preistreiber missbrauchen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28.1.2007)