Deutschland und Österreich regeln nach 55 Jahren per Gesetz die Entschädigung der NS-ZwangsarbeiterInnen. Alexandra Föderl-Schmid und Peter Mayr haben die Vorlagen verglichen. Am Montag wurden in Berlin nach eineinhalbjährigen Verhandlungen die Unterschriften unter das Abkommen über die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter gesetzt. Deutschland und die USA unterzeichneten zusätzlich ein Regierungsabkommen, das die Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen vor Sammelklagen regelt. Da zuvor bereits Bundestag und Bundesrat ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hatten, ist der formale Weg für die Auszahlung frei. Wie in Deutschland werden die Entschädigungszahlungen auch in Österreich durch ein Gesetz geregelt. Der Nationalrat hat dieses zwar noch vor der Sommerpause beschlossen, in Kraft ist es allerdings nicht. Dafür müssen noch zwei Hürden genommen werden: So fehlen noch die vorgesehenen Mittel. Weiters muss ein Abkommen mit den USA zustande kommen, um Rechtsfrieden zu garantieren. Die Regelungen in beiden Ländern weisen gewisse Gemeinsamkeiten auf:
  • Trägerorganisation: Mit dem deutschen Gesetz wird die öffentlich-rechtliche Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" ins Leben gerufen, die von der öffentlichen Hand und der Wirtschaft mit je fünf Milliarden Mark (35 Milliarden Schilling) ausgestattet werden soll. In Österreich soll der so genannte "Versöhnungsfonds" mit sechs Milliarden Schilling von Staat und Privatunternehmen gespeist werden. Ein Kuratorium - an dessen Spitze Kanzler Wolfgang Schüssel steht - überwacht die Arbeit.

  • Verteilung: Für direkte Entschädigungszahlungen stehen in Deutschland 8,25 Milliarden Mark (57,75 Milliarden Schilling) zur Verfügung. Davon gehen gut zwei Drittel an Opfer aus den osteuropäischen Staaten wie Russland, Weißrussland, Ukraine, Polen und Tschechien. Der Fonds für nichtjüdische Opfer aus anderen Staaten ist mit 540 Millionen Mark (3,7 Milliarden Schilling) dotiert. Für jüdische Vermögensschäden ist eine Milliarde Mark (7 Milliarden Schilling) vorgesehen, 700 Millionen (4,9 Milliarden Schilling) für einen "Zukunftsfonds" für kulturelle und soziale Projekte und 200 Millionen Mark (1,4 Milliarden Schilling) für Verwaltungs- und Anwaltskosten.

    Beim österreichischen Modell ist eine derartige Unterteilung nicht vorgesehen.

  • Anspruchsberechtigte: Von den 8,25 Milliarden Mark aus dem deutschen Fonds gehen rund 45 Prozent an so genannte Sklavenarbeiter, die in Konzentrationslagern arbeiten mussten. Sie erhalten bis zu 15.000 Mark (105.000 Schilling). Der Rest geht an andere Zwangsarbeiter, die bis zu 5000 Mark (35.000 Schilling) bekommen. Es wird damit gerechnet, dass es 1,5 Millionen Anspruchsberechtigte gibt. Wie es im Gesetz heißt, muss man den Anspruch "durch Unterlagen nachweisen. Liegen solche Beweismittel nicht vor, kann die Leistungsberechtigung auf andere Weise glaubhaft gemacht werden."

    In Österreich werden zirka 150.000 anspruchsberechtigt sein. Auch hier wird in verschiedenen Kategorien ausgezahlt: Für "Sklavenarbeiter" soll es 105.000 Schilling geben, für Zwangsarbeiter in Industrie und Gewerbe 35.000 Schilling, für Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft 20.000 Schilling, für Kinder von Zwangsarbeitern jene Summe, die ihre Eltern erhalten, sowie für Frauen, die als Zwangsarbeiterinnen ein Kind zur Welt brachten, noch zusätzlich 5000 Schilling. Für KZ-Häftlinge wird Deutschland zahlen. Ist ein Leistungsberechtigter am oder nach dem 15. Februar 2000 verstorben, bekommen die Erben die Entschädigung.

  • Auszahlung: Die deutsche Stiftung zahlt das Geld an Partnerorganisationen aus, die es dann an Opfer weitergeben. Für Anträge gelten Fristen zwischen acht und zwölf Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes. Frühere Leistungen von Unternehmen werden angerechnet. Antragsteller verzichten auf andere Ansprüche gegen die öffentliche Hand in Deutschland und deutsche Firmen.

    Österreich geht einen ähnlichen Weg. An sechs Partnerorganisationen (in Russland, Weißrussland, der Ukraine, Polen, Tschechien und Ungarn) soll das Geld weitergeleitet werden. Leistungsberechtigte können sich aber auch direkt an den Fonds wenden. Der Versöhnungsfonds wird auf drei Jahre befristet eingerichtet.

  • Rechtssicherheit: In einem "Statement of interest" empfiehlt die US-Regierung Gerichten in ihrem Land, Klagen von ehemaligen Zwangsarbeitern abzulehnen.

    Ein Punkt, den Österreich noch klären muss. Derzeit wird über diesbezügliche Vertragsentwürfe beraten.