Im neuen Jahr feiert die Pariser Couture einige Jubiläen - doch gibt es nicht viel Anlass zum Jubilieren. Denn die frühere Couture-Woche ist auf drei Tage geschrumpft - ein vierter Tag wird dann noch bevölkert von "geladenen" jungen Nachwuchskräften, deren Können keineswegs dem Label "Haute Couture" entspricht. Viele große Modefirmen bestehen zwar weiter, aber zeigen keine aufwändigen Defilees mehr - als Letzte haben Scherrer, Torrente, Hanae Mori und Ungaro darauf verzichtet. Diese glanzvollen Medien-Revuen sind jedoch lebenswichtige Werbeträger, weil sie die einträglichen Nebenprodukte der Häuser promoten: Accessoires und Parfums. Denn die Zahl der Kundinnen für Maßgeschneidertes geht laufend zurück - tagsüber gehen viele lieber in Jeans wie ihre Töchter! Die sündteuren Modelle aus luxuriösen Stoffen werden hauptsächlich nur mehr für Hochzeiten im Orient bzw. Russland oder für Oscar-Verleihungen in Los Angeles bestellt (Preis: um 100.000 Euro). Daher bekommt man bei den Pariser Schauen fast nur mehr Abendmode- mit dem pompösen Brautkleid als Abschluss - zu sehen.

Mit einer fast nur weißen Kollektion beging Valentino die 45-Jahrfeier seiner Couture in Paris. Hingegen kann Pierre Cardin, der bei Dior begonnen hat, schon auf 60 Jahre Schneiderkunst zurückblicken und gründet demnächst sein Museum in Saint-Ouen.

Das 60-jährige Haus Christian Dior feiert nun zehn Jahre Tätigkeit seines Modeschöpfers John Galliano. In einem Zelt im Polo-Club präsentierte er eine seiner gelungensten Schauen - ganz im Zeichen Japans . Begleitet von Arien aus "Madame Butterfly" trippelten anmutige Geishas durch verspiegelte Räume oder räkelten sich auf überdimensionalen weiß-grauen Salonstühlen. Ein Leitmotiv: der Kimono mit runden Schultern und weiten Ärmeln in Pastell, mit kunstvoll gefältelten Ausschnitten oder Manschetten, doch mit der Silhouette des berühmten Kostüms "Bar" des Firmengründers von1947 - enge Taille, runde Hüften, schmale Röcke, zart bestickt mit Blüten oder Schmetterlingen. Viel Applaus für den Kreateur, der sich in der Uniform eines napoleonischen Offiziers verneigte.

Blumen und Plissees

Vor 20 Jahren gründete Christian Lacroix seinen eigenen Salon - mit Hilfe von Bernard Arnault, Chef der Luxusgruppe LVMH. Inzwischen hat sein Haus einen anderen Eigentümer - eine amerikanische Familienfirma - doch das ändert nichts an seinem barocken, farbenfrohen Schaffen voll überraschender Effekte. Zugegeben, seine bauschigen Mini-Krinolinen zu engen Korsetts und riesigen Puffärmeln mit handgemalten Riesenblumen sind nicht jederfraus Sache. Doch in einem seiner langen, schmalen Abendkleider - Fortuny-Plissees mit seitlichen Rüschenkaskaden in Orange oder Gelb oder übersät mit Zyklamen aus winzigen Mousseline-Teilchen - wäre jede (schlanke) Kundin ein Star beim Opernball !

Der frühere Assistent von Hubert de Givenchy und Hanae Mori, Dominique Sirop, zeigte im Rahmen seiner Kollektion kunstvolle Inkrustationen in Schachbrettmuster auf Kostümen in Crêpe, sexy Smoking-Varianten und zweistufige Abendkleider: glitzernde Minis über transparenten, langen Röcken aus Tüll.

Engel und Heiligenscheine

Für seine intime Schau wählte der jetzige Designer von Givenchy, Riccardo Tisci, maritime Themen - zuerst Offizierskragen, Goldknöpfe, kleine Anker der Marine, dann Motive vom Meeresgrund: Korallen, Anemonen, Muscheln aus einem neuartigen Silikon-Material, glänzende Schuppen und Perlen auf Boleros über fließenden Kleidern aus Organza oder Mousseline.

Zwar war Madonna, die Lieblingskundin von Jean-Paul Gaultier, diesmal nicht anwesend, doch ließ der seine Models wie Madonnenstatuen von einer hohen Treppe steigen - gekrönt von Heiligenscheinen aus Plastik, Koralle oder Tiaras aus verziertem Silber. Dazu raffiniert drapierte Roben aus Mousseline, Satin oder Spitze in Pastellfarben, mit Schleiern vom Kopf bis zum Saum oder flügelartigen Rücken. Meisterhaft die Abendrobe wie ein durchscheinendes Kirchenfenster mit Heiligen, himmlisch ein mit Barock-Engeln bedrucktes Modell, überirdisch eine "Erscheinung" aus goldfarbenem Pannesamt mit Goldkrone.

Auch nach 24 Jahren bei Chanel schafft es Karl Lagerfeld, seine Modelle leicht und lebensnah zu zeigen. Besonders jung die schwarz-weißen oder marineblauen Tunikas und lange Kostümjacken aus Tweed, die tagsüber - ohne Rock - als Minis über blickdichten, schwarzen Strümpfen getragen werden - oder abendlich aufgewertet mit weißen Plastrons und wippenden Federchen auf Manschetten und Saum. Ein reizvolles Thema für den Abend: auf engen, knöchellangen Röcken und Kleidern glitzernd bestickte Längsstreifen über Mousseline, die unten beschwingt aufspringen. Beim Finale im Grand Palais wurde auch den über 100 anwesenden Mitarbeiter des Ateliers applaudiert. Und mit einer speziellen Kollektion namens "Paris-Monte Carlo" , präsentiert im legendären Heim von Coco Chanel, rue Cambon, kommen die genialen Kunsthandwerker des Hauses zu Wort. "Denn ohne sie gäbe es keine Couture mehr", betont der Meister. (Linda Koreska/Der Standard/rondo/02/02/2007)