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Martin Bartenstein, Wirtschaftsminister

Foto: APA/Techt
Bisher standen Kosten von 10.000 Euro im Raum, nun soll es 2500 bis 3000 Euro kosten. Neue Ansätze zur Förderung gibt es noch nicht, sagte er zu Michael Bachner.

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STANDARD: Sie und Sozialminister Buchinger haben nach dem letzten Ministerrat Alfred Gusenbauer und Wilhelm Molterer vertreten. Hat das Vizekanzlerspielen Spaß gemacht?

Bartenstein: Ich habe auch in der Vergangenheit öfter Bundeskanzler Schüssel nach dem Ministerrat unterstützt oder ihn in Einzelfällen vertreten. So gesehen war das nicht wirklich neu. Das liegt an Kanzler und Vizekanzler, wie sie das in Zukunft halten wollen. Wenn ich gebraucht werde, stehe ich zur Verfügung.

STANDARD: Wie erleben Sie den Koalitionsstart? Es gibt ja Kritik an einem zu flauen Start, beziehungsweise von der ÖVP die Kritik an den Umstellungsproblemen der SPÖ von der Oppositions- zur Regierungspartei.

Bartenstein: Natürlich gilt für die SPÖ, dass sie einerseits den Wechsel von der Oppositions- zur Regierungspartei bewerkstelligen muss, was manchen besser, manchen weniger gut gelingt, wenn ich an Josef Cap oder Günther Kräuter denke. Aber man soll auch nicht unterschätzen, so wie Meister nicht vom Himmel fallen, fallen auch Minister nicht gleich vom Himmel. Dementsprechend haben sich die Kollegen auf SPÖ-Seite, die keine Erfahrung in der Bundesregierung haben, 100 Tage Schonfrist verdient. Oberste Priorität hat jetzt die Budgeterstellung, und das bindet die Minister und ihre Mitarbeiter. So gesehen wird sehr intensiv gearbeitet, aber zum Teil eben hinter den Kulissen.

STANDARD: Kein Umstellungsproblem hat ihr früherer Koalitionspartner BZÖ. Ex-Sozialministerin Haubner kritisierte sofort das Regierungsprogramm, im Pflegebereich herrsche Flaute. Sie und Buchinger wollen bis zum Sommer ein Pflegemodell auf die Beine stellen. Gibt es bereits Eckpunkte?

Bartenstein: Das Thema hat Top-Priorität für die Menschen, für die Regierung und für mich als Arbeitsminister. Ziel bis zum Sommer ist es, nach der Legalisierung ausländischer Pflegekräfte, die Pflege und Betreuung daheim möglich zu machen. Wir arbeiten mit Hochdruck. Die zentralen Leitlinien sind, dass Pflege daheim auf selbstständiger und unselbstständiger Basis für In- und Ausländer möglich wird. Bei Unselbstständigen aufbauend auf dem bewährten Hausangestelltengesetz.

STANDARD: Das heißt konkret?

Bartenstein: Das ist etwa in der Arbeitszeit von Bedeutung. Wir können bei Unselbstständigen so zu einer Arbeitszeit von maximal 128 Stunden in zwei Wochen kommen und müssen ähnlich wie im Spitalsbereich inaktive Bereitschaftszeit nicht als Arbeitszeit anrechnen. Mit der klassischen 40-Stunden-Woche ist das Problem der 24-Stunden-Pflege nicht zu lösen.

STANDARD: Pfleger müssen pro Woche 64 Stunden arbeiten?

Bartenstein: Im Sinne eines Wechseldienstes wird es nach 14 Tagen ein zweites Arbeitsverhältnis brauchen. Dazu wird wie im Hausangestelltengesetz gelten, alle 14 Tage ein freier Sonntag und pro Woche ein freier Halbtag.

STANDARD: Im Bereich der Selbstständigen schaut das Modell wie aus? Derzeit sind ja Pflegehelfer oder Heimhilfen immer nur Angestellte.

Bartenstein: Da braucht es genauso entsprechende Qualitätsstandards wie bei den Unselbstständigen. Aber mit der Anmeldung eines freien Gewerbes, was jeder Frau und jedem Mann offen steht, wird hier eine Möglichkeit gegeben sein.

STANDARD: Entscheidend ist aber:_Was kostet die Pflege?

Bartenstein: Es ist und bleibt eine kostspielige Sache, keine Frage, aber unsere Schätzungen gehen davon aus, dass es möglich sein sollte, auf einer legalen Basis mit Bruttokosten von 2500 bis 3000 Euro pro Monat durchzukommen. Das ist fraglos viel Geld, aber deutlich weniger als die ursprünglich in den Raum gestellten 10.000 Euro, die praktisch für niemanden leistbar gewesen wären. Gleichzeitig bleibt die stationäre Pflege in den Ländern ein wichtiges Standbein.

STANDARD: Wird es neue staatliche Förderungen geben? Auch 3000 Euro im Monat ist ja enorm viel Geld. Die höchste Pflegegeldstufe macht gerade die Hälfte aus.

Bartenstein: Ein Schritt nach dem anderen. Die ersten zwei Schritte, die Legalisierung ausländischer Pflegekräfte und das Amnestiegesetz für die betroffenen Familien, haben wir abgehakt. Jetzt arbeiten wir am dritten Schritt, nämlich ein arbeitsrechtliches Korsett zu schnüren, das die Pflege daheim über 24 Stunden möglich macht. Ich kann derzeit keine Antwort auf Finanzierungsfragen geben. Das ist aber auch nicht meine Aufgabe.

STANDARD: Haben Sie wenigstens eine Präferenz? Sollen da neue Fördermodelle kommen, eine verpflichtende private Pflegeversicherung oder ein Pflegelastenausgleichsfonds, wie ihn die Caritas vorschlägt?

Bartenstein: Wir haben das Thema bei den Koalitionsverhandlungen diskutiert, aber uns bewusst selbst keine neuen Vorgaben gemacht.

STANDARD: Im Regierungsprogramm steht dazu: „Mehrkosten sind solidarisch durch Beiträge von potenziellen Nutznießern aufzubringen.“ Das heißt doch, wir Steuerzahler zahlen uns das weiter selbst.

Bartenstein: Wer bedürftig ist, bekommt ja Zuschüsse. Das Pflegegeld mit insgesamt 1,6 Milliarden Euro pro Jahr leistet einen erheblichen Beitrag. Aber ich bin heute nicht in der Lage zu sagen, das ist meine Antwort und damit ist das Problem gelöst. Wofür ich jedenfalls plädiere, ist, hier nicht leichtfertig in eine Richtung zu gehen, die nur wieder die Lohnnebenkosten erhöht. Die Einführung einer Pflegeversicherung wäre so etwas.

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Zur Person: Martin Bartenstein (53) wurde 1995 Umwelt- und Familienminister und 2000 Wirtschafts- und Arbeitsminister. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.2.2007)