Dieser Mann will nicht sterben: Harold Crick (Will Ferrell) ist in "Schräger als Fiktion" ein glückloser Romanheld.

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Als unfreiwilliger Romanheld begehrt dieser großartig gegen seinen angekündigten Tod auf.

Wien – Eine innere Stimme, die einem bei monotonen Tätigkeiten wie dem Zähneputzen das ein oder andere zu erzählen weiß, ist an sich noch nichts Ungewöhnliches. Im Fall von Harold Crick (Will Ferrell) verfügt diese jedoch über beunruhigende Qualitäten. Zum einen räsoniert sie über ihn in der dritten Person, einem heimlichen Beobachter vergleichbar. Viel sonderbarer aber ist daran noch, dass Crick, Steuerbeamter und daher schon von Berufs wegen ein Mann mit ausgeprägtem Ordnungssinn, zu derlei Selbstbefragungen überhaupt nicht neigt.

Die Auflösung dieses Vorkommnisses liegt denn in Marc Forsters Komödie "Schräger als Fiktion" ("Stranger Than Fiction") auch nicht im psychologischen Bereich. Die auktoriale Stimme gehört vielmehr der Schriftstellerin Kay Eiffel (Emma Thompson), die gerade an ihrem neuen Roman arbeitet und nur von einer Schreibblockade abgehalten wird, ihren Helden dramatisch sterben zu lassen. Der eigenschaftslose Crick, dessen Leben so grau wie seine Anzüge ist, muss also erkennen, dass er zur Figur eines tödlichen Metaszenarios erkoren wurde.

Das selbstreferenzielle Schlingern, das Autor und Subjekt als Gegenspieler aufbaut – und beide in gleichermaßen entfremdete Lebensweisen einpasst -, ist nicht der einzige Aspekt von Schräger als Fiktion, der an die Arbeiten von Charlie Kaufman ("Adaptation", "Eternal Sunshine of the Spotless Mind") erinnert. Wie diesem geht es auch Zach Helm in seinem Drehbuch um einen originellen Zugriff auf Figuren der Romantic Comedy. Die erzählerischen Konventionen dieses Erfolgsgenres werden auf den Kopf gestellt, um über Umwege dann doch wieder direkt ins Herz zu zielen.

Für Harold Crick bedeutet das zuallererst eine Kehrtwendung in seinem bisherigen Dasein. Er konsultiert einen Literaturprofessor (Dustin Hoffman), der ihm den guten Rat gibt, fortan eine Komödie zu leben, um auf diese Weise womöglich die sinistren Absichten des noch unbekannten Autors zu unterlaufen. Was er dafür benötigt, ist ein weibliches Gegenüber, das ihn nicht ausstehen kann, – und das ihm in der rebellischen Bäckerin Ana Pascal (Maggie Gyllenhaal), die sich weigert, ihre Steuerrückstände zu begleichen, praktischerweise alsbald begegnet.

Ein Liebeslied

Spätestens mit dieser Wendung von der Bewusstwerdung des eigenen Schicksals in die selbstbestimmte Suche nach dem eigenen Glück betritt "Schräger als Fiktion" gängigeres Terrain. Dem Pathos eines neues Lebensinhalts an der Grenze zum (angekündigten) Tod will Marc Forster gar nicht ausweichen. Doch Will Ferrell und Maggie Gyllenhaal geben ein so unwiderstehliches Paar ab, dass man das nur zu gerne in Kauf nimmt. Der Moment, in dem Crick erstmals zur Gitarre greift und mit geschlossenen Augen ein Lied für seine Liebste singt, ist schlicht zum Niederknien.

Überhaupt darf Saturday-Night-Live-Veteran Will Ferrell, in den USA längst neben Ben Stiller, Jack Black oder Adam Sandler einer der Komödienstars, mit diesem Film endlich zeigen, dass er nicht nur im grotesken Fach (wie zuletzt in "Wedding Crashers"), sondern auch mit stoischer Mine als anrühriger Jedermann zu betören versteht: Man wünscht ihm ein langes Leben. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.2.2007)