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Edith Piaf rührt zu Tränen: Marion Cottilard (mit Gérard Depardieu als Louis Leplée) in "La vie en rose (La Môme)".

Foto: AP
Ein Gesicht, zeichenhaft verdichtet wie zu einem Logo: große, sehnsüchtig nach oben gewandte Augen, darüber fein gemalte Augenbrauen, ein kleiner rot geschminkter Mund. Der schmale Körper in schlichten, schwarzen Kleidern – das zieht die Aufmerksamkeit auf Mimik und Gesten, wenn sich die Sängerin hinter dem Mikrofon an die eindringliche Interpretation ihrer Lieder macht.

Wie sich diese Bühnenpersona und -performance allmählich entwickeln, das ist eine beiläufige Erzähllinie in "La vie en rose (La Môme)" von Olivier Dahan, dem Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale. Der Film inszeniert die Lebens- und Leidensgeschichte von Edith Piaf (1915–1963) als bewegten Bilderbogen. Die chronologische Abfolge der Ereignisse wird von Anfang an aufgebrochen: Von einem späten Konzert in New York 1959, das mit einem Zusammenbruch auf der Bühne vorzeitig endet, und den Studioaufnahmen zu "Milord" geht es zurück an die biografischen Anfänge.

Langsamer Aufstieg

Edith Piaf, die eigentlich Edith Gassion heißt, wächst in ärmsten Verhältnissen auf, hin- und hergereicht zwischen Familienmitgliedern, teils bei ihrer Großmutter, die ein Bordell betreibt, teils unterwegs mit ihrem Vater, einem Artisten. Als junge Frau (ab nun dargestellt von der französischen Schauspielerin Marion Cottilard) ersingt sie sich ihren Lebensunterhalt auf Pariser Straßen. Als der Betreiber eines Revuetheaters auf sie aufmerksam wird, beginnt ihr langsamer Aufstieg zum Weltstar. Alkohol und später Drogen bleiben ihre Begleiter.

"La vie en rose" folgt einer Dramaturgie des (unwillkürlichen) Erinnerns – und wenn es ihm dabei tatsächlich gelingt, überraschende und doch sinnfällige Verbindungen zu ziehen, dann funktioniert das auch ganz gut. In zweiter Linie setzt der Film auf eine Verkörperung der sich erinnernden Protagonistin, die den Regeln einer möglichst detailgetreuen Rekonstruktion folgt: Cottilard, äußerlich entsprechend ausgestattet, hat sich auch Körperhaltung und Bewegungsmuster der Piaf angeeignet – was in seiner Forciertheit mitunter nahezu groteske Züge annimmt. Vor allem auch, weil die übrigen Figuren daneben bis auf wenige Ausnahmen wie Statisten wirken: Gérard Depardieu als Piafs erster Mentor Louis Leplée hält Cottilards Piaf ein sehr zurück genommenes, gravitätisches Spiel entgegen, auch Sylvie Testud als Jugendfreundin Momone erarbeitet sich zunehmend eigenständige Präsenz.

Paradoxerweise bleibt die Frau im Zentrum des Films als solche trotzdem seltsam entrückt, ein atemloser filmischer Entwurf, eine Zuspitzung. Das kann man nun mögen oder nicht – als Berlinale-Eröffnungsfilm, der das Potenzial hat, ein beeindrucktes – und auch zu Tränen gerührtes – Publikum zu produzieren, ist es jedenfalls gut gewählt. (Isabella Reicher aus Berlin / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.2.2007)