Wien – Noch wollen sich die Chefs nicht in die Pflegedebatte einmischen und überlassen den Streit um die Fakten lieber ihren Gehilfen. Während sich also Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und sein Vize Wilhelm Molterer vornehm zurückhielten, fanden SP-Sozialminister Erwin Buchinger und VP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein nach heftigen Auseinandersetzungen wieder harmonisch zueinander. Wie Bartenstein ist nun auch Buchinger der Meinung, dass die Pflege verstärkt in den privaten Bereich verlagert gehört und die öffentliche Hand dafür aufkommen soll. Buchinger setzt die Höhe der Pflegekosten im Heim mit 2500 bis 3500 Euro monatlich an. Soviel sei auch für die Pflege zu Hause zu veranschlagen, glaubt Bartenstein.

Er sichert seinem SP-Kollegen „volle Unterstützung“ bei dessen Gesprächen mit den Ländern zu. Wenn über die Beteiligung von Ländern und Gemeinden an den Pflegekosten diskutiert werde, sei es „völlig richtig“, sie auch einzubinden. Buchinger selbst kündigte an, mit Ländern, Sozialpartnern und Gemeinden ein „vernünftiges Modell zur 24-Stunden-Pflege zu Hause“ ausverhandeln zu wollen. Zuvor soll eine Arbeitsgruppe im Sozialministerium ihre Untersuchungen dazu abschließen.

Offen ist nach wie vor, ob Mehrkosten für ein häusliches Pflegesystem anfallen und wie hoch sie sein werden. Die Hilfsorganisationen gehen davon aus und rechnen mit 170 bis 200 Millionen Euro pro Jahr. Wer das zahlen soll – Bund, Länder oder Gemeinden – ist ebenfalls offen. Die Caritas schlägt einen Pflegelasten-Ausgleichsfonds vor, der aus Mitteln der Sozialhilfe von Bund und Ländern, der Zweckwidmung von Krankenversicherungsbeiträgen, zusätzlichen Steuermitteln sowie aus Selbstbehalten gespeist werden könnte.

Gewerkschaft dagegen

Die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida lehnt Bartensteins Pflegemodell nach wie vor ab. Dem Plan, die rechtliche Grundlage zur Pflege und Betreuung zu Hause auf dem Hausangestelltengesetz aufzubauen, werde eine „klare Absage“ erteilt, betont vida-Sektionschef Willibald Steinkellner. Unter den diskutierten Rahmenbedingungen sei die notwendige Qualität der Betreuung rund um die Uhr nicht zu gewährleisten. An diesem Punkt setzt auch die Kritik der Grünen an. Sozialsprecher Karl Öllinger fürchtet eine Aushebelung der EU-Arbeitszeitrichtlinie und fordert die Einbeziehung der Opposition. Das BZÖ wirft Bartenstein „abgehobenes Verhalten“ vor. (kob, DER STANDARD, Printausgabe 10./11.2.2007)