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Auf den Spuren von Bogart und Bergman? Cate Blanchett und George Clooney in "The Good German".

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George Clooney verliert sich in Steven Soderberghs Stilübung "The Good German" im Berlin der Nachkriegszeit, der Koreaner Park Chan-wook liefert ein verspieltes Pop-Märchen: Zum Auftakt des Berlinale-Wettbewerbs übt sich das Kino in Selbstbespiegelung.
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Vor dem Kino sind die Farben regengrau verwaschen, im Kino ist Berlin schwarzweiß: Eine Trümmerstadt im Juli 1945. Ein US-Korrespondent (George Clooney) trifft dort ein, um über die bevor stehende Potsdamer Friedenskonferenz zu berichten. Es ist nicht sein erster Aufenthalt in der Stadt. Bald begegnet er jener Frau (Cate Blanchett) wieder, die einmal seine Geliebte war. Sein Fahrer (Tobey Maguire) hintergeht ihn. Kurz darauf ist er tot. Hat er versucht, die Russen bei Schwarzmarktgeschäften zu betrügen, oder geht es um eine größere Sache?

Der Amerikaner findet sich, ohne es zunächst zu begreifen, als Figur im Spiel anderer wieder. Steven Soderberghs The Good German erinnert nicht nur in dieser Hinsicht an Carol Reeds Der dritte Mann: Der Titelschriftzug, der klassische Orchesterscore, die notorischen Wischblenden oder die Rückprojektionen, in die die Autofahrten des Helden eingebettet sind - von Anfang an macht der US-Regisseur klar, dass er sich bei der filmischen Umsetzung seiner Erzählung (die auf dem Roman In den Ruinen von Berlin von Joseph Kanon basiert) auch stilistisch ans Kino der 40er-Jahre hält. Nachgestellte Noir-Ästhetik

Casablanca ist eine weitere explizite Referenz. Cate Blanchett agiert statuarisch, mit tiefer Stimme und rauem Akzent, als hätte sie sich Marlene Dietrich anverwandelt. George Clooney hat erneut Gelegenheit, sich mit Cary Grant und anderen Vorbildern zu messen. (Dass der erklärte Nichraucher, der in diesem Film schon wieder den Raucher geben muss, wegen Dreharbeiten in diesem Jahr nicht nach Berlin gekommen ist, könnte sich angesichts mancher hölzern vorgetragener deutscher Dialogsätze noch als gute Idee erweisen.)

Durchzogen wird diese vielfältige Bezugnahme auf die Filmgeschichte allerdings von merklich zeitgenössischen Adaptionen: Soderbergh erweitert die nachgestellte Noir-Ästhetik - deren Schattendramaturgie mitunter seltsame Blüten treibt, wenn sich die Gesichter der Stars bis zur Unkenntlichkeit im Zwielicht verlieren - um eine manieriert bewegliche Kamera. Diese fungiert als eigentlicher "dritter Mann" und signalisiert dem Publikum schon lange vor dem Helden, dass nicht er es ist, der hier die Fäden zieht.

Bezüge zur Gegenwart

Vor allem stellt sich beim Betrachten von Soderberghs Film jedoch die Frage, worin der Mehrwert dieser nur teilweise geglückten Stilübung liegen könnte: Ähnlich wie George Clooneys Regiearbeit Good Night, and Good Luck lässt sich auch The Good German als Paraphrase auf die gegenwärtige politische Befindlichkeit der USA lesen, konkreter auf die US-Außenpolitik, den Irak betreffend: Selbst wer nach außen als moralische Instanz (und Verfolger von Kriegsverbrechen) auftritt, wahrt im eigentlichen Sinne primär eigene Interessen.

Nur: Was wird deutlicher, wenn man diese Kritik in einem Rückgriff auf die Historie verklausuliert? Zumal Soderbergh hier keine neuen Tatsachen aufdeckt: Dass die USA nach dem Zweiten Weltkrieg im Rüstungswettlauf mit der Sowjetunion auf das Knowhow deutscher Wissenschafter und Ingenieure nicht verzichten wollten, ist kein Geheimnis. Und auch im Kino waren Verstrickungen wie diese schon lange vor The Good German Thema.

Immerhin fügt sich Soderberghs Film hervorragend ins Profil des diesjährigen Wettbewerbs: In diesem gibt es - beginnend mit dem Eröffnungsfilm über Edith Piaf bis hin zum österreichischen Beitrag Die Fälscher (siehe unten stehenden Artikel) - auffallend viele Arbeiten, die historische Ereignisse oder Persönlichkeiten in ihren Mittelpunkt stellen.

Der Koreaner Park Chan-wook liefert dagegen mit I'm a Cyborg, But That's OK einen der wenigen Filme, die sich ihre ganz eigene Welt erschaffen: Eine junge Frau landet in einer psychiatrischen Klinik, sie verweigert die Nahrungsaufnahme, hält sich stattdessen Batterien an die Zunge, führt nachts heimlich Gespräche mit dem Kaffeeautomaten oder dem Transistorradio. Ein junger Kleptomane wird auf sie aufmerksam und eine Serie von seltsamen, zärtlichen, manchmal hochkomischen Übertragungen nimmt ihren Anfang.

Pop-Märchen Parks jüngste Arbeit - sein Film Lady Vengeance läuft zurzeit im Kino - ist eine Art Pop-Märchen. Nicht nur, weil der koreanische Popstar Rain eine der Hauptrollen spielt. Er erinnert ein wenig an Michel Gondrys Science of Sleep. Der Film ist stilsicher, visuell gewandt, wird aber auch immer wieder zu einer etwas schalen Demonstration seiner Kunstfertigkeit. In dieser Hinsicht ist er dann doch gar nicht so weit von Soderbergh entfernt. (Von Isabella Reicher aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.2.2007)