"Wenn man konsequent seinen Weg verfolgt, dann lässt man sich von äußeren Umständen nicht abschrecken", so Franz Hackl.

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Schlagzeuger Hari Ganglberger (re) und Gitarrist Wolfgang Schalk (li) würden zustimmen.

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Inmitten dieser Anhäufung von Exotik, Größenwahn, Nachbarschaftlichkeit und unerwartet Schönem blühen Beziehungen, Schulden und die Klänge dieses Planeten auf engstem Raum. Aus den Ritzen der Backsteinhäuser quellen Geschichten und Katastrophen. New York war immer eine Stadt, die sich finden ließ. Und die Musik findet man hier am besten in den Gängen und Hallen des U-Bahn-Systems und auf der Straße. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Auch wenn es New York eigentlich nicht mehr gibt. Manhattan ist ein großes Fünf-Sterne-Hotel geworden. Eine auf die Oberschichten gezielte Wohnungspolitik hat alle Vielfalt vertrieben. In der Lower Eastside tummeln sich urbane Hippsters in ihren 1500-Dollar-Zimmern. Das East Village mit der einst berüchtigten und durchaus gefährlichen Alphabet City ist zu einer einzigen großen Essmeile geworden. Vom jugendlichen Vibe ist ebenso wenig zu spüren, wie vom einstigen Drogenhandel und der Prostitution noch etwas zu sehen ist.

Sängerin Elisabeth Lohninger, die seit 1994 in der Lower Eastside in einem großen Apartment gewohnt hat, beschreibt es so: "Unsere Miete hat sich verdreifacht. Die gesamte Nachbarschaft, in die wir gezogen sind, ist verschwunden. Den Charakter von vor zehn Jahren gibt es nicht mehr." Die Sängerin und Komponistin betreibt gemeinsam mit Partner Walter Fischbacher das Studio Lofish Productions. Ihre eigene, höchst angenehme und interessante neue Platte The Only Way Out is Up zu vermarkten verbraucht sämtliche Restenergie. Zurückgehen? Treibende Soli

"Wohin? Es gibt keine Stadt, in der ich mich inspirierter und wohler fühlen würde", beschreibt es etwa Wolfgang Schalk. Der bei Universal Austria unter Vertrag stehende Gitarrist mit einer großen Zuneigung zu treibenden Soli und spontaner Interaktion lebt jenseits des Hudson Rivers, im traditionell kleinstädtischen New Jersey.

Der Vorteil des eignen Studios deckt den Verlust an Wohnraum ab. Und Schalk ist zäh. Mit Anfang 20 eingereist, hielt er sich zunächst durch Nebenjobs über Wasser. Im Cornelia Street Café, mitten im schicken West Village, spielt er bis heute seine liebsten Konzerte. "New York ist eine Stadt, in der du zurückbekommst, was du gibst. Das kann hart sein, aber es zeigt dir, wer du bist." Müßig, sich über das "Clubsterben" zu ereifern. Hier sperren täglich Clubs zu, andere machen auf. Mit Bradley's und Village Gate gingen zwei Hotspots für After-Sessions und neue Jazz-Talente verloren. Dieser Entwicklung zum Trotz hat etwa das legendäre Minton's Playhouse in Harlem, in dem der Historie zufolge eifrig an einem neuen Stil namens Bebop gearbeitet wurde, nach 30 Jahren wieder aufgesperrt. Einstige Talenteschmieden wie Birdland und Village Vanguard verharren in der qualitätsvollen Starre der Institution.

Einer der sich inzwischen an der East Coast etablieren konnte, ist Hans Glawischnig. Der Kontrabassist und Sohn des langjährigen NDR-Bigband-Leiters Dieter Glawischnig wurde zuletzt von Chick Corea für sein Mozartjahr-Projekt engagiert. Gefragt nach der Entwicklung New Yorks, überfällt ihn eine fast unbändige Wehmut. Von der "Vergöttlichung des Durchschnitts" ist da die Rede. "Manhattan ist sicherer, aber auch langweiliger geworden." Gehört, gekauft

Für Franz Hackl, den ewig innovativen Macher des Tiroler Outreach-Festivals, liegt das Problem der Szene aber hauptsächlich an der Langsamkeit ihrer Protagonisten. "Jazz-Musik wird immer weniger gekauft, immer weniger gehört. Das Problem ist, dass junge Jazzmusiker nicht mehr jung sind. Sie spielen Altes nach. Wenn man konsequent seinen Weg verfolgt, dann lässt man sich von den äußeren Umständen nicht abschrecken." Der führte ihn zuletzt in einen Boxring in Brooklyn, wo der Trompeter zeitgenössische Musik zu Boxkämpfen erklingen lässt. Eine seltene, Synthese von Kunst und Leben.

New Yorks Jazzszene hat sich anno 2007 erfangen. Aber die Anschläge auf die World Trade Center haben nicht nur das äußere Erscheinungsbild verändert. Im Inneren dieses Organismus versteinern viele gute Ideen durch eine organisiert kulturfeindliche Stadtpolitik. Gegen das Establishment anzurennen ist wieder in.

Respekt

Schlagzeuger Hari Ganglberger nutzt die Stadt für seine Unentschlossenheit. Der zwischen Jazz und Pop hin- und herpendelnde Perfektionist hinter dem Drumset hat sich im inzwischen von Künstlern und Mittelstandsfamilien hoffnungsvoll überrannten Brooklyn niedergelassen. "Es gibt nirgends so eine Vielfalt wie hier. Jeder sollte sich das anschauen." New York - nichts als ein Mythos?

Mit Maria Neckam gibt es eine junge österreichische Sängerin, die diesem Argument trotzt. Die an der Manhattan School of Music Studierende mit einem ausgesprochenen Talent für Komposition hat sich mit ihrer Debüt-CD Maryland sofort Gehör verschafft. "Wenn du es schaffen willst, dann kannst du das auch. Ich habe hier meinen Platz gefunden. Wenn du etwas kannst, wirst du respektiert. Das ist nicht überall so." (Denise Riedlinger aus New York/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.2.2007)