Bild nicht mehr verfügbar.

Michael Crichton

Foto: AP /Jim Cooper
Michael Crichtons unfehlbares Gespür für brandaktuelle Themen hat ihn dieses Mal auf die Gentechnologie gebracht. Next spielt in der nahen Zukunft und ist eine geschickte Mischung aus verifizierbaren Fakten und Sciencefiction. Der exzellente Rechercheur hat sich mit seinem letzten Roman Welt in Angst ja jede Menge Kritik eingehandelt. Wer die Umweltschützer terroristischer Propaganda-Aktionen bezichtigt, darf sich der allgemeinen Empörung sicher sein. Jetzt ist Crichton wieder auf der Seite der „Guten“, indem er die „bösen“ Biotechnologiekonzerne und skrupellosen Wissenschafter anprangert. Wie er das macht, erinnert eher an Werbespots und hat mit Literatur sehr wenig am Hut. Next besteht aus Kurzgeschichten mit wechselnden Personen an wechselnden Orten, die lose miteinander verbunden sind. Teils slapstickhaft, teils satirisch, umreißt Crichton, was Von hybriden Schimpansen und patentierten Genen Michael Crichton polemisiert in „Next“ gegen eine entfesselte Biotechindustrie Von Ingeborg Sperl uns seinerMeinung nach blühen könnte, wenn der hemmungslosen Ausbeutung der Natur und des Menschen durch die Biotech-Industrie nicht ein Riegel vorgeschoben wird. Kompliziertes eingängig erklären zu können gehört zu Crichtons Stärken. Die flotte Action-Handlung reißt zum Beispiel das Thema der Verfügungsgewalt über den eigenen Körper an. Staatliches Gewaltmonopol Ein Mann der vom Krebs geheilt wurde und dem während seiner Behandlung jede Menge Proben entnommen wurden, muss feststellen, dass man mit diesen Proben ein milliardenschweres Medikament entwickeln wird, weil seine Gene auf eine besondere Weise mit der Krebserkrankung fertig geworden sind. Natürlich will man ihm für seinen unfreiwilligen „Beitrag“ nichts zahlen, und als im Labor mit ebendiesen Genen etwas schief geht, versucht man, des Patienten nocheinmal habhaft zu werden. Da dies nicht gelingt, jagt man seine Tochter und ihren Sohn, um einen von ihnen zu kidnappen und einer Leberbiopsie zu unterziehen. Das staatliche Gewaltmonopol wird an Firmen abgetreten, die wiederum haben keine Hemmungen,absurdeWunderzu versprechen, um neue Investoren anzulocken. PR-Genies werden wichtiger als die Wissenschaft, und im Run aufs große Geld mischen die Universitäten mit eigenen Patenten kräftig mit, weil sie zur Profitmaximierung angehalten werden. Dazu stellt Crichton Motive, die aus dem allgemein beliebten Horrorkabinett einer entfesselten Forschung stammen: den hybriden Schimpansen, der aus menschlichem Erbgut gezüchtet wurde oder den sprechenden Papagei, der klüger ist, als die Polizei erlaubt. Crichtons kolportagehafte Short Cuts, die narrative Elemente mit Zeitungsreportagen vermischen, wirken trotz dieser Sciencefiction ehrlich wütend. Er beschwört im Nachwort die Politik, endlich einzugreifen. Patente auf Gene seien sittenwidrig, weil sie die Forschung behindern, man brauche auch klare Richtlinien für die Verwendung von menschlichem Gewebe, meint der Autor, der indessen von Verboten nichts hält, weil das noch nie funktioniert hat. Vielleicht kommt man ja mit einer fiktionalen, leicht konsumierbaren Weiterentwicklung dessen, was alles auf uns zukommen könnte, besser an als mit seriösen Aufsätzen. Welche Interessen hinter dem Rücken der ahnungslosen Masse durchgesetzt werden, kann schon pessimistisch stimmen, zumal zu dieser ahnungslosen Masse auch die meisten Politiker gehören. Eine mehrseitige, vom Autor kommentierte Bibliografie lädt immerhin zur Vertiefung ein. (Von Ingeborg Sperl/Album, DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.2.2007)